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Susanne Messmer wundert sich über das lilafarbene Haar älterer DamenMan sieht halt nicht alles, was einem ins Auge fällt

Ein Blick aus dem Fenster der S-Bahn: Das kann doch nicht wahr sein! Es gibt sie also immer noch, die älteren Damen in blasser Kleidung, aber mit Haaren, die eher an lila Zuckerwatte erinnern als an Haare! Warum machen die das? Gibt es da irgendeine Verabredung, die nur diese Damen kennen? Mit Punk kann es ja unmöglich zu tun haben.

Eine befreundete Friseurin weiß Rat. Graues Haar wirkt besonders im Sommer, wenn es von der Sonne gebleicht wird, etwas gelbstichig. Dies empfinden manche Damen als unansehnlich – selbst wenn sie sich früher mal die Haare in einem ganz ähnlichen Ton blondiert haben mögen. Daher bitten sie beim Friseur oft um eine Tönung, um wieder schön silbergrau auszusehen. „Das wird dann meist auch wie gewünscht“, behauptet die Friseurin.

Das Problem entsteht dann meist erst beim nächsten Drogeriebesuch. Dort gibt es von Shampoo über Spülung bis zum Schaum- und Farbfestiger eine überbreite Palette von Haarpflegeprodukten mit dem Aufdruck Silber, Anti-Gelbstich oder Goodbye Yellow. All diese Produkte waschen eine große Portion Lila ins Haar, denn Lila ist bekanntlich die Gegenfarbe von Gelb. Und diese Produkte werden laut Fachfrau von den ergrauten Damen zu exzessiv genutzt. Kann schon sein, sagt sie, dass dies von den Damen nicht einmal richtig erkannt wird.

Eine Recherche im Internet ergibt, dass verschiedene alterstypische Augenerkrankungen zu einer Gelbfärbung der Linse führen können, sodass man im Alter Farben mit Gelbanteil besser sehen kann als solche mit Blauanteil, es kommt also zu einer selektiven Reduktion von kurzwelligem Licht. Das wäre dann auch die Erklärung, warum man helle Haare als junger Mensch häufig an sich selbst ganz schön findet, als älterer Mensch aber eher zu gelb.

Allerdings ist die These in der Wissenschaft bislang noch nicht belegt. Sophie Wuerger, Professorin der Psychologie aus Liverpool, hat eine Studie zur Farbwahrnehmung im Alter im Netz veröffentlicht, aus der hervorgeht: Wahrscheinlich kann unser Sehsystem die altersbedingten Änderungen im Auge kompensieren, allerdings „ist unsere Fähigkeit, zwischen kleinen Farbunterschieden zu unterscheiden, mit zunehmendem Alter sehr wohl beeinträchtigt“.

Insofern bleibt eigentlich nur eins, auch wenn es schwerfällt: Man muss die lila Damen dieser Stadt einfach befragen, ob sie sich der Farbe ihres Haars überhaupt bewusst sind. Nur so ließe sich der Kosmetikindustrie eins auswischen.

Wenn sie also eine dieser Damen sind, eine kennen, die sich zum Thema lila Haare befragen ließe oder selbst schon mal eine befragt haben, dann melden Sie sich doch gern unter messmer@taz.de.

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