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Gerade noch so durchgeweidelt

Nach viel Streit hat die AfD-Fraktion im Bundestag Weidel und Chrupalla zu ihren Vorsitzenden gewählt

Aus Berlin Gareth Joswig

Nach zähen Diskussionen und Streit innerhalb der neuen AfD-Fraktion sind Alice Weidel und Tino Chrupalla als Doppelspitze mit 50 zu 25 Stimmen als Vorsitzende gewählt worden. Im Vorfeld der Abstimmung am Donnerstagnachmittag hatte es deutlich rumort in der neu konstituierten Bundestagsfraktion. Eigentlich hätte die Abstimmung bereits am Vortag über die Bühne gehen sollen. Das hatten Streit über die Tagesordnung sowie Änderungsanträge aber verhindert – mit dem Ziel, Weidel zu schwächen.

Bereits am Mittwoch hat Weidel nach gerade mal einer Stunde Diskussion die wegen Coronaregeln im Plenarsaal des Bundestags stattfindende Fraktionssitzung kurz verlassen und dabei genervt gerufen: „Was ist das hier für ein Laden?“ Die neue und radikal geschrumpfte AfD-Fraktion hat 82 Abgeordnete, von denen 25 neu sind im Bundestag. Ihr erstes Aufeinandertreffen zeigt, dass der Job von Chrupalla und Weidel kein leichter sein dürfte. Die Kontroversen hinterlassen parteiintern die Sorge, inwiefern die AfD-Fraktion in der nächsten Legislaturperiode unterzugehen droht – vor allem wenn die CDU stärkste Oppositionspartei wird.

Um Weidel zu schwächen, gab es den Vorschlag, den Vorstand nicht im Doppelpack zu wählen, sondern entweder nur einer Person den Vorsitz zu überlassen oder über die Doppelspitze einzeln abzustimmen. Als gesichert galt dabei die Wahl von Tino Chrupalla, weil dieser mit seinem verteidigten Direktmandat großen Rückhalt genießt. Weidel dürfte erleichtert gewesen sein, dass es bei der Wahl im Doppelpack blieb. Die Änderungsanträge dazu scheiterten allerdings denkbar knapp: Mit 37 zu 37 Stimmen fand die Einzelwahl hauchdünn keine Mehrheit.

Das nur knappe Ergebnis und die Auseinandersetzungen zeigen, dass sich Zerrissenheit und Flügelkämpfe auch in der Fraktion widerspiegeln. Mit Weidels Wiederwahl mehren sich die Anzeichen dafür, dass Meuthens Stand innerhalb der Partei immer schlechter wird. Der hatte sich bereits Anfang der Woche auf offener Bühne mit Weidel und Chrupalla gefetzt und sich dafür ausgesprochen, dass man Ämter besser einzeln wählen sollte. Zum Showdown im Flügelkampf zwischen radikaleren und gemäßigteren Kräften kommt es im Dezember, wenn der Parteivorstand neu gewählt wird. Meuthen lässt bislang offen, ob er antritt. Nicht Teil der Fraktion wird der für NRW gewählte Matthias Helferich, weil er sich in Privatchats als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte.

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