Nach dem Messerangriff in Neuseeland: Kritik an lückenhaften Gesetzen

Der Attentäter wurde überwacht, trotzdem konnte er auf mehrere Menschen losgehen. Premier Ardern macht die schwachen Gesetze verantwortlich.

Jacinda Ardern mit traurigem gesicht vor Mikrophon

„Frustrierender Prozess“: Regierungschefin Jacinda Ardern über die Terrorprävention Foto: Robert Kitchin/dpa

CANBERRA taz | Das sonst für Harmonie und friedliches Zusammenleben bekannte Neuseeland ist nach dem islamistisch motivierten Terrorangriff vom Freitag im Schock. Der 32-jährige Attentäter hatte in einem Einkaufszentrum in Auckland ein Messer aus dem Regal genommen und damit auf Passanten eingestochen.

Zwei Minuten später wurde der aus Sri Lanka stammende tamilische Muslim von Polizeibeamten erschossen, die ihn überwacht hatten. Bei der Tat wurden sieben Menschen verletzt, fünf davon mit Stichwunden. Drei der Opfer befanden sich am Wochenende mit zum Teil lebensbedrohlichen Verletzungen im Krankenhaus.

Die Attacke war der zweite Terrorangriff in Neuseeland in zweieinhalb Jahren. 2019 hatte ein rechtsextremer Australier in zwei Moscheen der Stadt Christchurch 51 Muslime beim Beten erschossen. Als Folge dieses Massakers liegen im Parlament Gesetzesänderungen zur Verabschiedung, die auch die Vorbereitung einer terroristischen Tat unter Strafe stellen würde. Das ist bisher nicht der Fall – im Gegensatz etwa zum Nachbarland Australien. Dort droht für die Vorbereitung einer terroristischen Straftat eine lebenslange Haftstrafe.

Der Attentäter, dessen Name von der neuseeländischen Regierung offiziell nicht genannt wird, scheint von der schwachen Gesetzeslage profitiert zu haben. Der damals 22-Jährige war 2011 mit einem Studentenvisum aus Sri Lanka nach Neuseeland gekommen. Kurz nach Ankunft beantragte er Asyl – zunächst erfolglos. Nach einem Berufungsverfahren gelang es ihm doch noch, den Flüchtlingsstatus zu erhalten.

Rund um die Uhr bewacht

2016 wurde der Geheimdienst auf den Mann aufmerksam, nachdem er sich in sozialen Medien begeistert über terroristische Anschläge geäußert hatte. Im Mai 2017 wurde er am Flughafen Auckland verhaftet. Die Polizei vermutete damals, dass er auf dem Weg nach Syrien war, um sich dem „Islamischen Staat“ (IS) anzuschließen. In seiner Wohnung fanden Beamte Propagandamaterial der Terrororganisation und ein Jagdmesser. Der Mann kam auf Kaution frei, wurde später aber verhaftet, weil er sich ein Messer gekauft und erneut extremistisches Material besessen hatte.

2021 wurde er schließlich der Propaganda für IS für schuldig befunden und im Juli zu einem Jahr Überwachung verurteilt. Die Behörden glaubten zwar, dass er einen Terroranschlag vorbereitete, konnten aber wegen der schwachen Gesetzeslage nicht eingreifen. Zum Zeitpunkt der Tat war der Mann rund um die Uhr von einem Team von 30 Beamten überwacht worden.

Von Kritikern als besonders bedenklich eingestuft wird die Tatsache, dass dem Attentäter bereits 2019 der Status als Flüchtling abgesprochen worden war und er einen Abschiebungsbescheid erhalten hatte. Der Tamile habe seinen Antrag auf Schutz mit „betrügerischen Mitteln“ gestellt, so Premierministerin Jacinda Ardern, ohne Einzelheiten zu nennen.

Die sofortige Abschiebung aus Neuseeland war jedoch wegen laufender Verhandlungen nicht möglich gewesen. Die Behörden konnten den Mann auch nicht präventiv in Haft nehmen. Laut neuseeländischem Einwanderungsgesetz ist die Festnahme nur im Vorfeld einer Deportation erlaubt. Doch selbst die Ausweisung war keine Option: Er hatte geltend gemacht, in seiner Heimat Sri Lanka drohe ihm wegen seiner politischen Aktivitäten „Verfolgung und Folter“. Deshalb habe er nach neuseeländischem Recht als „geschützte Person“ gegolten, so Ardern.

Die Regierungschefin sprach am Wochenende von einem „frustrierenden Prozess“. Sie habe noch im Juli mit Offiziellen über den Fall gesprochen und „meine Sorge darüber geäußert, dass das Gesetz jemandem erlauben kann, hier zu bleiben, der seinen Immigrationsstatus auf betrügerische Weise erworben hat und eine Gefahr für die nationale Sicherheit ist“. Die Regierung hofft, noch im Verlauf dieses Monats entsprechende Lücken im Gesetz schließen zu können.

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