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Kadyrow in TschetschenienSieger mit Protzgehabe

Ramsan Kadyrow, Herrscher über Tschetschenien, macht gern kurzen Prozess mit Kritikern. Trotzdem wurde er jetzt wiedergewählt.

MIt 99 Prozent im Amt bestätigt: Tschetscheniens Machthaber Ramzan Kadyrov Foto: Yelena Afonina/imago

Berlin taz | Da sage jemand, Ramsan Kadyrow, Herrscher über Tschetschenien, sei nicht gastfreundlich. In dieser Woche lud er US-Präsident Joe Biden zu einem Besuch in die Nordkaukasusrepublik ein. Dann könne sich Biden davon überzeugen, dass es keine schwulen Gockel gebe, sondern nur „echte Männer mit richtigen Eiern“, schrieb er in seinem Telegram-Kanal. Vor der UN-­Vollversammlung hatte Biden die internationale Staatengemeinschaft aufgerufen, die Rechte sexueller Minderheiten weltweit zu schützen.

Das muss in den Ohren Kadyrows wie Hohn klingen. Denn mit Homosexuellen, die es in Tschetschenien angeblich gar nicht gibt, pflegt er kurzen Prozess zu machen. Sie werden entführt, in Haft gefoltert und manchmal auch ermordet. Orchestriert wird diese Menschenjagd von den „Kadyrowzy“ – einer paramilitärischen Einheit, die dem 44-Jährigen direkt untersteht und im rechtsfreien Raum agiert – quasi freie Hand hat.

Das gilt auch für Kadyrow selbst. Seit März 2006 Regierungschef in Tschetschenien, wurde Kadyrow am 2. März 2007 auf Vorschlag von Russlands Staatschef Wladimir Putin zum Präsidenten gewählt. Der Deal lautete: Wiederaufbau sowie Sicherheit und Stabilität in dem durch zwei Kriege gegen Russland verheerten Land. Im Gegenzug sollte Kadyrow nach Gusto schalten und walten dürfen.

Grassierende Korruption als weiteres Markenzeichen

Das tat und tut er, wobei die Frage ist, ob ihn der Kreml noch unter Kontrolle hat. Schwerste Menschenrechtsverletzungen sind in Tschetschenien an der Tagesordnung. Zahlreiche Morde sollen auf Kadyrows Konto gehen, der seit 2014 bzw. 2017 bei der EU und den USA auf der Sanktionsliste steht. Unter den Opfern sind neben Tschetschenen im Ausland auch die bekannte tschetschenische Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa, die 2009 bestialisch umgebracht wurde.

Ein weiteres Markenzeichen der Herrschaft Kadyrows ist eine grassierende Korruption. So wohnt die Zweitfrau des gläubigen Muslims (Polygamie ist in Russland gesetzlich verboten) in einem Palast im Zentrum der Hauptstadt Grosny, der einen Wert von umgerechnet mehr als 4 Millionen Euro haben soll. So manches Sümmchen dürfte wohl von der nach Kadyrows 2004 ermordeten Vater Achmed benannten Stiftung kommen, in die Angestellte, Beamte sowie Unternehmer zwangseinzahlen müssen. Mit einem Vermögen von umgerechnet 70 Millionen Euro (2019) ist sie die wohlhabendste in ganz Russland.

Bei den Wahlen in Russland in der vergangenen Woche wurde in Tschetschenien auch über das Staatsoberhaupt abgestimmt. Ramsan Kadyrow, der einem bizarren Personenkult frönt, erhielt offiziellen Angaben zufolge 99,7 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteiligung lag bei 94 Prozent – Spitzenwerte in der Russischen Föderation. Ruslan Kutajew, tschetschenischer Aktivist und ehemaliger politischer Gefangener, merkte an: „Das war eine Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Sie lautet: „Außer Kadyrow existiert niemand in Tschetschenien.“

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1 Kommentar

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  • Die Wahlen in Russland und insbesondere in Tschetschenien kann man nicht ernst nehmen. Wer tatsächlich glaubt, dass die Ergebnisse auch nur halbwegs der Wirklichkeit entsprechen, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.