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Putin-Loyalität um jeden Preis

In Russland lässt sich Wladimir Putins Partei Einiges Russland während der drei Tage andauernden Parlamentswahl einiges einfallen, um sich die Macht zu sichern. Die Betrugsvorwürfe sind massiv

Der Staat erkauft sich die Stimmen mit Verlosungen, Gutscheinen oder russischen Pässen

Aus Moskau Inna Hartwich

Matwejew Kurgan ist ein Dorf wie so viele andere in Russland. Es gibt unasphaltierte Straßen, eine weiße Lenin-Statue im Zentrum, ein Heimatkundemuseum. Vor den Wahllokalen wehen am Sonntag ein paar bunte Luftballons, sowjetische Schlager erklingen. Knapp 1.200 Kilometer sind es von hier, an der russisch-ukrainischen Grenze im Gebiet Rostow, bis nach Moskau; 120 nach Donezk, 140 nach Luhansk, in die international nicht anerkannten Separatistengebiete.

Viele Menschen in diesen Republiken genannten Gebieten wünschen sich russische Pässe. Sie bekommen sie in diesen Tagen zuhauf – denn in Russland wird gewählt. Die Regierungspartei Einiges Russland, Machtbasis des Präsidenten Wladimir Putin, will ihre absolute Mehrheit im Parlament verteidigen. Dafür ist ihr jedes Mittel lieb – auch in Matwejew Kurgan.

Der Internetsender Doschd (Regen), kurz vor der Wahl vom Justizministerium zum „ausländischen Agenten“ erklärt, zeigt gleich mehrere Busse, die über die Grenze kommen. Dutzende Menschen mit russischen Fähnchen in der Hand steigen aus und laufen in ein Wahllokal. Offenbar haben sie in der örtlichen Migrationsbehörde kurz zuvor ihren russischen Pass bekommen, danach geht es gleich zum Wählen. Mehrere Menschen berichten freudig davon. Es zwingt sie niemand, doch wissen sie, wem sie den erhofften Pass zu verdanken haben: Einiges Russland. Erste Hochrechnungen sehen die Partei bei 47 Prozent, offizielle Zahlen soll es erst in der Nacht auf Montag nach Redaktionsschluss geben.

Das Team um den inhaftierten Oppositionspolitiker Alexei Nawalny will die Feier der Macht­elite dennoch stören. Mit seiner Methode des „klugen Wählens“ sollen aussichtsreiche Kan­­di­­da­t*in­nen anderer Parteien Einiges Russland schwächen. Dabei zählen nicht die Inhalte dieser Kandidat*innen, hier heiligt der Zweck die Mittel. Das Regime tut an den Wahltagen allerdings einiges, um die Nawalny-Listen aus dem Netz zu nehmen. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt: Löschen Google, Apple, Youtube und auch Telegram auf Druck der Behörden die Empfehlungen Nawalnys, so finden sich die Listen bei Twitter. Ist ein Google-Dokument verschwunden, entsteht schnell ein neues.

Bei der Mobilisierung der Menschen geht es dem Staat nicht um die individuelle Wahl, sondern um eine kollektive Entscheidung, die in den Augen der regierenden Elite nur eines bedeuten darf: Loyalität zu Putin. Diese gilt es mit aller Macht sicherzustellen, etwa mit Stapeln bereits ausgefüllter Stimmzettel, die manche Schuldirektorin in die Wahlurne stopft, von den Videokameras an der Decke offenbar unbeeindruckt. Andere Methoden umfassen längst Verstorbene auf den Wahllisten, leicht manipulierbare Online-Abstimmungen und die auf drei Tage gestreckte Abstimmung. In den Nächten sind keine Be­ob­ach­te­r*in­nen zugegen.

Die unabhängige russische Organisation Golos (Stimme), ebenfalls als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt, listet Tausende Manipulationen im ganzen Land auf. Die OSZE hat dieses Mal keine Beobachtermission geschickt. Moskau hatte lediglich 60 Be­ob­ach­te­r*in­nen für das ganze Land zugelassen und die niedrige Zahl mit der Pandemie erklärt.

Der Staat erkauft sich die Stimmen mit Verlosungen, als Quasiersatzhandlung für all die verschleppten Reformen. Es gibt Wohnungen und Autos zu gewinnen sowie zahlreiche Gutscheine. Selbst Putin-Sprecher Dmitri Peskow bekommt nach seiner Online-Abstimmung solch einen Gutschein. Andere, wie in Matwejew Kurgan, erhalten ihre Pässe. Für manche ist das ein Hauptgewinn dieser Wahl.

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