taz🐾thema
: fairer handel

die verlagsseiten der taz

Guter Geschmack trifft gutes Gewissen

Die Nachfrage nach fair produzierten und gehandelten Textilien steigt seit Jahren. Trotz – oder gerade wegen – zahlreicher Siegel lohnt dabei der genaue Blick auf Herstellung und Lieferkette

Aufgepasst: Oft stammt nicht das gesamte Produkt aus Fairem Handel

Von Cordula Rode

Berge von unverkaufter und unverkäuflicher Kleidung – Corona hat die Aufmerksamkeit auf ein Problem gelenkt, das auch ohne Pandemie und Lockdown in den letzten Jahren immer häufiger Anlass für Kritik war. Schnell und in hohen Stückzahlen produzierte Billigtextilien großer Konzerne aus monatlich wechselnden Kollektionen – Qualität sieht anders aus. Die Herstellungsbedingungen dieser Wegwerfkleidung verursachen nicht nur enorme Umweltprobleme, sondern ebnen auch den Weg für soziale Ausbeutung und Kinderarbeit.

Verbraucher:innen, die sicher sein wollen, dass die gesamte Lieferkette vom Baumwollfeld bis zum Kleiderbügel nicht nur umweltverträglich ist, sondern auch die Standards von Sozial- und Menschenrechten einhält, müssen deshalb nicht in Sack und Asche gehen – immer mehr Labels setzen auf Nachhaltigkeit und fairen Handel.

Dazu gehört die Marke ThokkThokk, die schon seit vielen Jahren bezahlbare Mode anbietet, die ökologisch und fair produziert wird. „ThokkThokk hat von Anfang an auf die Zertifizierung gesetzt, die unseren Kun­d:in­nen Sicherheit und Transparenz vermittelt“, erklärt Verena Benz, die 2019 die Geschäftsführung übernommen hat. Siegel wie GOTS (Global Organic Textile Standard) und Fairtrade garantieren umwelttechnische und soziale Standards; darüber hinaus engagiert sich ThokkThokk gemeinsam mit der indischen Organisation SAVE gegen Kinderarbeit und für die Rechte von Frauen und Arbeiter:innen.

Verena Benz weiß aber auch, dass fehlende Siegel nicht in jedem Falle schlechtere oder fehlende Standards bedeuten müssen: Im Jahr 2014 gründete sie ihre eigene Marke LOVJOI und setzte dabei aus persönlicher Motivation von Anfang an auf die ökologische und soziale Verträglichkeit der gesamten Lieferkette: „Ich habe damals einen Biosupermarkt übernommen und stellte irgendwann fest, dass meine eigene Kleidung nicht mal ansatzweise die Ansprüche erfüllte, die für mein Sortiment selbstverständlich waren.“ Sie gründete kurzerhand ihr eigenes Label. Als sie feststellen musste, dass namhafte Produzenten mit der Idee nachhaltiger und fair gehandelter Mode noch nicht viel anfangen konnten und bei ihren Angeboten einer Kooperation dankend ablehnten, gab sie trotzdem nicht auf: „Wir haben mit einer Haushaltsnähmaschine auf 40 Quadratmetern angefangen“, erinnert sie sich. Inzwischen hat sich LOVJOI längst einen Namen gemacht. Die Baumwolle stammt ausschließlich aus dem europäischen Ausland, genäht wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in Deutschland. „Ich kann meine Produzenten ohne großen Aufwand selbst besuchen und vor Ort die Arbeits- und Herstellungsbedingungen überprüfen“, erklärt die Unternehmerin, die in der Fertigung geflüchtete Menschen beschäftigt und ihnen auf diese Weise berufliche Perspektiven bietet. „An die Zertifizierung habe ich lange Zeit gar nicht gedacht – denn unsere selbstgewählten Standards liegen in vielen Bereichen oberhalb der Anforderungen der meisten Siegel.“

Manches Siegel garantiert zudem weitaus weniger, als die Kun­d:in­nen dahinter vermuten. Oft stammt nicht das gesamte Produkt aus fairem Handel, sondern nur die Baumwolle. Die fair gepflückte und gehandelte Baumwolle aus den Ländern des Globalen Südens kann in den weiteren Schritten der Lieferkette also theoretisch alles andere als „fair“ sein. Und da der Begriff „fair“, anders als beispielsweise „bio“, nicht geschützt ist, kann sich jeder Produzent sein eigenes Siegel basteln.

Auf seiner Homepage gibt der Weltladen-Dachverband eine Übersicht, die den Ver­brau­che­r:in­nen erste Orientierung gibt. Der Verband vertritt die Interessen der Weltläden (früher Dritte-Welt-Läden), die bereits seit ihren Anfängen in den 1970er Jahren auf fairen Handel setzen. Elke Rehwald-Stahl ist Geschäftsführerin des Weltladens in Weilburg, der bereits seit 25 Jahren besteht. Seit 2018 führt sie einen weiteren Weltladen für Mode und Textilien, den sie mitgegründet hat. „Fair gehandelte Textilien sind sehr gefragt“, weiß die Geschäftsfrau. „Nachhaltig produzierte Mode ist qualitativ sehr hochwertig.“

Bei der Auswahl ihrer Lieferanten kann sie sich auf den Dachverband verlassen: Er bietet seinen Mitgliedern einen verlässlichen Lieferantenkatalog an. „Eine Arbeitsgruppe aus rund 15 Haupt- und Ehrenamtlichen ist für die Überprüfung der Einhaltung unserer Standards zuständig“, erklärt Christoph Albuschkat, Sprecher des Weltladen-Dachverbandes. Über 80 Hersteller umfasst dieser Katalog, der nicht nur den Inhaber:innen, sondern auch den Kun­d:in­nen der Weltläden die Sicherheit gibt, dass alle Produkte fair gehandelt sind. Die strengen Standards des Dachverbandes sind auf seiner Homepage ausführlich und transparent aufgelistet.

„Hundert Prozent fair gibt es leider trotzdem nicht“, weiß Albuschkat. „So hat der faire Handel aufgrund seines geringen Marktanteils nicht überall Einfluss auf die Transportwege.“ Deshalb setzen die Weltläden neben dem Handel auch auf die Bildungsarbeit und den politischen Dialog. Denn nur ein umfassendes Bewusstsein der Probleme kann zu deren Lösung führen.