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Zeugen nicht erwünscht

Taliban gehen gegen Demos und Berichterstatter vor

Von Thomas Ruttig

Seit Tagen wird die Regierungsbildung der Taliban von Protesten im ganzen Land begleitet: Am Mittwoch gingen im Kabuler Stadtteil Dascht-e Bartschi Demonstrantinnen auf die Straße und riefen: „Ein Kabinett ohne Frauen wird versagen.“ Ein kleinerer Frauenprotest wurde auch aus der Stadt Faisabad im Norden gemeldet, der lokalen Medienberichten zufolge aber schnell aufgelöst wurde. Am Dienstag war es in Kabul vor der pakistanischen Botschaft mit mehreren Hundert Teil­neh­me­r:in­nen zum bisher größten Protest gekommen, die für Frauenrechte und gegen die Niederschlagung des bewaffneten Widerstands im Pandschirtal und Pakistans angeblicher Rolle dabei protestierten. Taliban-Polizisten unterbanden die Berichterstattung und trieben eine Gruppe von Menschen in ein Parkhaus, um sie vom Protest fernzuhalten. 
In den Provinzen Gasni und Ghor verhinderten die Islamisten am Dienstag laut Einwohnern Demonstrationen. In der Stadt Herat im Westen kam es am Dienstag zu gewaltsamen Zusammenstößen. Ein Aktivist dort meldete, es seien mindestens zwei Demonstranten getötet und sieben verwundet worden, nachdem Taliban Schüsse abfeuerten.

Die größten lokalen TV-Sender haben am Mittwoch offensichtlich die Berichterstattung über die Proteste eingestellt. Am Dienstag hatten Taliban eine Gruppe von Reportern und Kameramännern für mehrere Stunden festgenommen, nachdem sie über den Protest in Kabul berichteten. Auch am Mittwoch kam es offenbar erneut zu Zusammenstößen mit Medienvertretern. Ein Reporter der Los Angeles Times schrieb auf Twitter, er und sein Fotograf seien von Taliban herumgeschubst worden, als sie versuchten, über einen Frauenprotest in Kabul zu berichten. Ebenfalls auf Twitter kursiert ein Bild, auf dem ein Rücken mit schweren Verletzungen zu sehen ist. Auf Gesicht und am Kopf von zwei Mitarbeitern der bekannten Tageszeitung Etilatrus seien Dutzende Abdrücke von Kabeln und Peitschen zu sehen, schrieb Herausgeber Saki Darjabai. Rund zwei Stunden davor hatte er mitgeteilt, dass fünf seiner Mitarbeiter, darunter der Chefredakteur, von den Taliban festgenommen worden seien, als sie über einen Frauenprotest berichten wollten.

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