: Housing First reicht nicht
Die Diakonie fordert von Politik und Wirtschaft die Schaffung mehr bezahlbaren Wohnraums
Zum bundesweiten Tag der Wohnungslosen am 11. September hat die Diakonie Bremen erneut mehr bezahlbaren und angemessenen Wohnraum für Wohnungslose gefordert. „Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist ein menschliches Grundbedürfnis, ja sogar ein Menschenrecht“, sagte Landesdiakoniepastor Manfred Meyer am Dienstag. Dennoch gebe es allein in Bremen mehrere hundert, vielleicht sogar mehr als tausend Menschen, ohne Bleibe.
Wohnungslos in einer Notunterkunft, auf dem Sofa von Freunden oder gar auch der Straße zu leben, sei ein hartes Schicksal, sagte Meyer. „Platte zu machen“ könne sogar lebensbedrohlich sein, denn Kälte im Winter und Hitze im Sommer seien für wohnungslose Menschen gefährlich.
Zwar gebe es in Bremen zahlreiche Hilfsmöglichkeiten wie Streetworker, Beratung und Unterkünfte. Doch reiche das allein nicht aus, unterstrich Meyer: „Es muss auch etwas gegen die Ursachen von Wohnungslosigkeit wie die steigende Mieten getan werden.“ Bremen benötige dringend mehr bezahlbare und angemessene Wohnungen. Das Land hinke bei den Plänen für sozial-ökologischen Wohnraum deutlich hinterher.
Durch steigende Mieten, aber auch durch die Coronapandemie sei die Zahl der Wohnungslosen wieder deutlich angestiegen, betonte Meyer. „In Bremen, wo inzwischen bereits jeder Vierte zu den Armen gezählt werden muss, müssen die Themen Armut und Wohnungslosigkeit dringend deutlich höher auf der politischen Agenda stehen.“
„Housing First“ nicht ausreichend
Meyer begrüßte ausdrücklich die Initiative des Senats für „Housing First“. Dieser „neue Ansatz der Obdachlosenhilfe“, so kündigte es die Wohnungshilfe Bremen e. V. am Dienstag an, werde langfristig obdachlosen oder wohnungslosen Menschen mit Wohnraum und einer sozialpädagogischen Betreuung helfen. Dabei solle der Bezug von Wohnraum aber an keine Bedingungen geknüpft sein: „Die Unterstützung beginnt damit, obdachlose Menschen in einer Wohnung unterzubringen“, heißt es in der Mitteilung des Vereins. „Alle weiteren Angebote, etwa Hilfestellungen in Sachen Gesundheit, Haushaltsführung und im Umgang mit finanziellen Problemen, folgen davon losgelöst.“
Dass Wohnraum an die erste Stelle gerückt wird; sei ein entscheidender Unterschied zur bisher praktizierten Hilfe für wohnungs- und obdachlose Menschen, so Meyer. „Housing First“ nehme vor allem die Wohnungslosen in den Blick, die bisher mit dem bestehenden System nicht erreicht werden. Etwa Menschen, die nicht zur Zentralen Fachstelle für Wohnen, zum Jobcenter oder in Notunterkünfte gehen möchten oder können.
Das Konzept werde allein aber nicht reichen, sagte Meyer. Mehr bezahlbare Wohnungen zu schaffen, sei eine Aufgabe, die „Politik und Wohnungswirtschaft endlich konsequent umsetzen müssen“. (taz/epd)
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