piwik no script img

Geldautomaten in Kabul praktisch leer

Die Macht über Afghanistan haben die Taliban. Doch ihnen fehlt Geld. Ganz mittellos sind sie aber nicht

Nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan geht den Menschen zunehmend das Bargeld aus. Einwohner Kabuls berichteten, die Geldautomaten in der Stadt seien praktisch leer. „Alle in der Stadt beschweren sich mittlerweile, dass sie kein Geld abheben können“, sagte ein Bewohner.

Auf der Facebook-Seite des Finanzministeriums hieß es in der Nacht zu Sonntag, die Zen­tralbank, private Banken und andere Finanzinstitutionen nähmen bald wieder ihren Betrieb auf. Die Taliban haben die Spitze der Zentralbank inzwischen zwar neu besetzt. Had­schi Mohammad Idris werde helfen, Ordnung in die Institutionen zu bringen und die wirtschaftlichen Probleme angehen, mit denen die Bevölkerung konfrontiert sei, heißt es in einer Erklärung eines Sprechers. Wie lange das noch dauert, ist derzeit völlig unklar. Der bisherige Zentralbankchef des Landes war vergangene Woche nach der Machtübernahme durch die Taliban aus Kabul geflüchtet.

Die Taliban haben zwar in Kabul das Zepter übernommen, aber nun müssen sie für geschätzt 37 Millionen Menschen eine Grundversorgung sicherstellen. Die gestürzte Regierung konnte dafür auf massive Hilfe aus dem Ausland bauen. Ausländische Geber, allen voran die USA, Deutschland und andere Europäer, finanzierten in dem armen Land nach US-Angaben zuletzt rund 80 Prozent der Ausgaben der Regierung. Derzeit liegen milliardenschwere Hilfszusagen auf Eis. Auch auf eine andere mögliche Geldquelle, die im Ausland gehaltenen afghanischen Währungsreserven von rund neun Milliarden US-Dollar, haben die Taliban vorerst keinen Zugriff.

Trotz der Hilfen gehörte Afghanistan auch vor der Machtübernahme durch die Taliban einem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen (UN) zufolge zu den ärmsten Ländern der Welt (Platz 169 von 189 Staaten). Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt UN-Angaben zufolge in Armut und ist auf Unterstützung angewiesen, darunter etwa zehn Millionen Kinder. Das Welternährungsprogramm (WFP) schätzt, dass rund 14 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben.

Eine isolierte Regierung der Taliban wäre jedoch keineswegs mittellos. In Gebieten, die sie schon bisher kontrollierten, standen sie im Ruf, Steuern und Zwangsabgaben konsequent – und teils auch brutal – einzutreiben. Außerdem haben sie im großen Stil Schutzgeld erpresst. Unter anderem mit diesen Einnahmen finanzierten die Islamisten auch den Kampf gegen die Regierung. Zudem dürften nun Einnahmen durch Zollgebühren, also aus dem Handel mit Iran, Pakistan und anderen Nachbarn, wieder sprudeln, sobald im Land eine gewisse Stabilität eingekehrt sein wird. Hinzukommt der illegale, aber lukrative Anbau von Schlafmohn, aus dem Opium hergestellt wird. Afghanistan produziert UN-Angaben zufolge rund 85 Prozent des weltweit hergestellten Opiums – Grundstoff von Heroin. (dpa, rtr)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen