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Gesetz Nummer 35 in KubaGegen ein freies Netz

Ein neues Gesetz verbietet es in Kuba, „Falschnachrichten“ über die Regierung im Internet zu verbreiten. Viele Menschen befürchten nun Sperrungen.

Hotspot in einem öffentlichen Park in Havanna Foto: Alexandre Meneghini/reuters

Hamburg taz | Mit dem Gesetz Nr. 35 versucht die kubanische Regierung, die Hoheit über das Internet zurückzugewinnen. Wer Falschnachrichten absetze, müsse mit der Sperrung des Accounts rechnen. Das Gesetz ist am Dienstag veröffentlicht worden. Ausgearbeitet wurde es bereits im März, rechtsverbindlich wird es nun rund einen Monat nach den großen Protesten von Mitte Juli. Deshalb halten es viele kubanische Internet-User für eine direkte Reaktion darauf.

„Sie wollen uns den Mund verbieten“, heißt es auf Facebook, in Whatsapp- und Telegram-Gruppen zuhauf. Denn der Paragraf 15 des Gesetzes verbietet Usern, Telekommunikationsdienste zu nutzen, um „die Sicherheit des Staates, die innere Ordnung des Landes anzugreifen und falsche Informationen oder Nachrichten zu streuen“. Nur, wer definiert das?

Das ist nur einer der Punkte, die in den sozialen Netzen innerhalb und außerhalb Kubas für Entrüstung gesorgt haben. Der Direktor der Amerikaabteilung der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, José Miguel Vivanca, teilt mit, das Gesetz mache es Internetanbietern möglich, Zugänge zu sperren, wenn die Regierung der Ansicht ist, dass ein Nutzer Falschnachrichten verbreitet habe.

Da es in Kuba mit der Etecasa aber nur einen einzigen – zudem staatlichen – Anbieter für den Internetzugang gibt, ist Missbrauch zu befürchten. Nummern von kritischen KünstlerInnen, JournalistInnen oder bekannten Oppositionellen wurden bereits in der Vergangenheit immer dann ausgeschaltet, wenn etwas Außergewöhnliches in Kuba passierte – so zum Beispiel am Internationalen Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember.

Gegen die eigene Verfassung

Das geschah bisher quasi ohne legale Grundlage. Genau die liefert nun das Gesetz Nr. 35 quasi nachträglich. Die kritische Schriftstellerin Wendy Guerra sagt, das Gesetz sei der Versuch, das Internet unter die Kontrolle der kommunistischen Partei Kubas (PCC) zu stellen. Die definiere fortan wieder, was falsch oder richtig sei, so Guerra auf Facebook. Zudem verstößt das Gesetz Nr. 35 gegen zentrale Verfassungsbestimmungen. Die Verfassungsartikel 54 und 56 billigen den Einwohnern nicht nur das Recht auf eine eigene Meinung, sondern auch das Versammlungs- und Demonstrationsrecht zu.

Mithilfe chinesischer Software, sagen kubanische Journalisten, ließen sich Messenger-Dienste nach Schlagworten durchsuchen. „Freiheit“ sei eines, aber auch technologische Begriffe wie „VPN“, die darauf hinweisen, wie sich Schnüffeltechnologie umgehen lässt.

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4 Kommentare

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  • Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wer hier, in D, meine Chats und Mails mitliest. Dafür gibt es auch eine gesetzliche Grundlage.



    Das soll nicht heißen, dass Deutschland ein Überwachungsstaat wie Kuba ist.

    Ich war für ein eigenes Kulturvermittlungsprojekt bis zur Pandemie lange in Kuba. Im gesamten Land. Habe nur privat mit Kubanern gelebt, unvermittelt durch Institutionen, Parteien oder gewerbliche Einrichtungen. Bin >4000km durchs Land gereist, habe recherchiert, fotografiert, diskutiert. An die 2-3000 WhatsApp- und i-Messages und Mails. Auch mit Dissidenten. Der Staat kennt natürlich mein Bewegungsprofil, weil man sich überall registrieren muss, oft Visa verlängern, ein- und ausreisen, kubanisches Internet und Telefon nutzen.



    Einige meiner Freunde sind von der Sicherheitspolizei besucht worden. Ohne Schikane, ohne Druck. Sie sind zu mir und meinem Projekt befragt worden und höflich daran erinnert worden, dass sie keine Agitation von außen unterstützen sollten. Niemand erlitt Repressalien oder Nachteile.



    In Chats und Mails haben wir kritisch über die Lage diskutiert, geschimpft auf Maßnahmen der Regierung (nicht auf die Revolution oder die Staatsführung) und Erfahrungen ausgetauscht. Das ist dokumentiert und beweisbar. Ohne jegliche Probleme seitens der Behörden, die wahrscheinlich einiges mitgelesen haben.



    Ich habe immer freies Internet gehabt, wie es in Kuba die Regel ist. Alle internationalen Zeitungen online gelesen, Seiten von Dissidenten besucht.



    Ich habe allerdings nichts, erst recht nicht systematisch, gegen den Staat oder gegen Kubaner*innen unternommen, außer Meinungsaustausch mit seinen Bürger*innen.



    Ich weiß, meine Erfahrungen sind anekdotisch. Aber vielleicht sind es die mancher Kritiker und Dissidenten auch.

    • @Jossito:

      das ist interessant, die gleichen Erfahrungen habe ich in Kuba auch gemacht.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ein neues Gesetz verbietet es in Kuba, „Falschnachrichten“ über die Regierung im Internet zu verbreiten."

    In den USA werden seit Jahren Falschnachrichten im großen Stil verbreitet, z.B. durch die sog. Kreationisten. Ein Milliardengeschäft.



    Viele Jugendliche werden massivst indoktriniert.



    Wenn der Pfarrer mit der Knarre im Hosenbund den Sheriff begleitet.....



    Aber man regt sich über Kuba auf.

  • Es ist ja nicht so, dass man sich ein solches Gesetzt nicht auch in Deutschland vorstellen könnte...