Die Wahrheit: Ihr Aluhut steht allen gut

Eine clevere Berliner Putzmacherin berät Querdenker und andere Wirrköpfe in Stilfragen, die über jede Hutschnur gehen.

Ein Aluthut auf einem Frauenkopf.

Äußerst unmodisch kommt die Aluhüterin mit ihrer selbst gebastelten Klotzkopfbedeckung daher Foto: dpa

„Fantastisch“, ruft Steffi Seiler, als sie ihrem Kunden den Hut zurechtgerückt hat. In einem Handspiegel, den sie ihm jetzt reicht, betrachtet sich der etwa 55-jährige untersetzte Mann, der Jeans und einen blau-braun gemusterten Pullover trägt, mit seiner neuen Kopfbedeckung. Ein Stetson – wie man ihn aus alten Western kennt, der Hut der Cowboys. Aber auch heutzutage wird er noch gern in den Südstaaten der USA getragen.

Der Mann nickt anerkennend, versucht sich einen coolen Blick zuzuwerfen, zahlt und geht – hinüber zur Querdenker-Demo. Er ist der neunzehnte oder zwanzigste Kunde heute Morgen, so genau hat Steffi Seiler sich das nicht gemerkt – das Geschäft läuft. Im Berliner Bezirk Friedrichshain hat sie ein kleines Geschäft für Kopfbedeckungen, am Wochenende ist sie in der Republik unterwegs mit einem festen Stand, den sie am Rand so mancher Rechten-, Querdenker- oder Corona-Leugner-Demo aufstellt.

„Diese Querdenker, Verschwörungserzähler, Reichsbürger und Leugner, die sind ja schlimm genug gekleidet – kein Stilbewusstsein, kein Geschmack, da kann man ja kaum hinschauen. Und dann auch noch diese albernen selbstgemachten Aluhüte, viele krumm und schief, krunkelig und unförmig – furchtbar. Da musste ich was tun“, sagt die Mittdreißigerin. Die gelernte Modedesignerin und Putzmacherin hat schon vor Beginn der Coronapandemie mit besonderer Vorliebe Hüte und Mützen entworfen und genäht.

Die Kopfbedeckungen, die sie hier am Rande der Demo produziert, sind allerdings nicht aus Stoff, sondern aus Alufolie. Hier bastelt, faltet und formt sie aus einer handelsüblichen Alurolle, wie man sie in jeder Küche findet, wahlweise Stetsons, Melonen, Zylinder, Baskenmützen, Pork-Pie-Hüte, Borsalinos und was sonst noch so gewünscht wird. Nur keine dieser klassischen turbanförmigen Hüte mit dieser Stummelantenne oben, die der gemeine Wirrkopf aus Schwaben sonst gern auf seinem Dez spazieren führt.

Pickelhaube mit Antenne

„Was soll das sein“, regt sich Steffi Seiler auf, „eine preußische Pickelhaube? Diese Antenne geht gar nicht. Damit sieht man ja aus wie ein Mainzelmännchen, außerdem empfängt man damit schädliche Botschaften über eine geheime Frequenz, auf der die Weltregierung sendet.“

Auf unsere etwas irritierten Blicke hin antwortet sie lachend: „Nein, das erzähle ich nur meinen Kunden. Das ist natürlich totaler Unsinn. Irgendwoher muss das Geld ja kommen. Durch Corona war ich fast pleite, da habe ich überlegt: Will ich dem Staat auf der Tasche liegen oder will ich Wutbürger ausnehmen.“

Seiler musste wegen der Coronakrise ihren Laden beinah aufgeben. Anders als Waren des täglichen Gebrauchs verkaufen sich Hüte und Mützen online gar nicht gut. Form, Stoff, Farbe und Größe lassen sich am Bildschirm schnell und einfach aussuchen – aber erst bei der Anprobe sieht man, ob der Hut auch passt.

Schädliche Botschaften auf geheimer Frequenz von der Weltregierung

„Ich habs ja versucht. Aber dieses lästige Hin- und Herschicken kostet ja nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Nerven.“

Der nächste Kunde tritt an den Stand und schaut sich die Auslagen an, Modelle einiger Kopfbedeckungen, die Seidel anbietet. Der sichtlich unsportliche Herr entscheidet sich für eine Baseballmütze – ein derzeit viel bestelltes Modell. Seidel misst die Kopfgröße ihres Kunden, greift dann nach einer angefangenen Alufolienrolle, wickelt ein paar Meter ab und formt daraus schnell und geschickt mithilfe eines Holzkopfes in Windeseile eine Basecap.

Der Kunde ist begeistert. „Ich habe schon eine Melone und eine Baskenmütze von ihr, aber die Stücke halten natürlich nicht so lange wie echte Hüte, und außerdem will man ja auch mal was Neues haben, ich kann ja nicht bei jeder Demo denselben Hut aufsetzen, da zeigen ja die Leute mit Fingern auf einen.“

Wir fragen ihn, warum er sich nicht selbst einen Aluhut macht.

Einsturz der Türme

„Ach, das habe ich früher gemacht, das erste Mal am 12. September 2001, ich wusste sofort, dass der Einsturz der Türme in New York ein Insider-Job war – und das wollte ich zeigen. Aber ich bin jetzt nicht so der geschickte Bastler und die Antenne oben – ich hab gehört, da wird man mit geheimen Botschaften von der Weltregierung manipuliert. Das wollte ich dann nicht mehr. Ich habe lange Jahre gesucht und nichts Passendes gefunden. Mit den Hüten von Frau Seidel gehts mir endlich viel besser. Die Hüte von ihr haben ja auch das internationale Alu-7-Zertifikat.“

„Alu 8“, verbessert Seidel und lächelt, „Alu 7 ist für die Strahlung aus dem All gar nicht stark genug.“ Im Hintergrund erklingt „Marionetten“ von Xavier Naidoo. Mannheims größter Sohn singt für alle Freunde des Aluminiums von einer Welt der Puppenspieler. Summend und strahlend zahlt der Kunde 100 Euro für sein neues Basecap, und er tut es gern, denn „das ist ja auch echte deutsche Handarbeit und keine Massenware. Das ist mir meine Sicherheit wert.“ Er verabschiedet sich, greift nach seiner Reichskriegsflagge, die er an den Tisch gelehnt hatte, und schlendert rüber zur Demo, die in ein paar Minuten startet.

In einer halben Stunde wird Steffi Seidel, die als Al-Khalili geboren wurde, aber nach der Scheidung den Namen ihres Ex-Manns behalten hat, alles zusammenpacken und nach Hause gehen. Denn sie muss früh raus, die nächste Querdenkerdemo morgen ist in Bremen. Vorher muss sie noch zu Rossmann, in den Drogeriemarkt, ordentlich Alufolien kaufen.

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kari

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