Militarisierung der Bundeswehr-Uni: Forsche­r:in­nen wehren sich

Das Verteidigungsministerium will die Hamburger Helmut-Schmidt-Universität zum Militärischen Sicherheitsbereich machen. Dagegen gibt es Protest.

Das Hauptgebäude der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg

Bald mit bewaffneten Wachen am Eingang? Die Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg Foto: Julian Mieth/dpa

HAMBURG taz | Bald könnten bewaffnete Wachen vor der Helmut-Schmidt-Universität (HSU) in Hamburg stehen. Denn das Verteidigungsministerium möchte den Campus zum militärischen Sicherheitsbereich (MSB) machen. Sol­da­t:in­nen hätten somit weitreichende Befugnisse und könnten beispielsweise kontrollieren, wer auf das Gelände darf.

Über 400 Wis­sen­schaft­le­r:in­nen protestieren nun gegen das Vorhaben mit einem offenen Brief. Sie sehen den Gründungscharakter der renommierten Einrichtung in Gefahr. Die Bundeswehr-Uni, an der zivil studiert wird, ist international für ihre Offenheit bekannt. Der Namensgeber Helmut Schmidt gründete sie vor fast 50 Jahren explizit nicht als Militärakademie. Er wollte einen Austausch zwischen ziviler Wissenschaft und Sol­da­t:in­nen fördern.

Laut Jan Stöckmann, einem der Erstunterzeichner des Briefs, seien die meisten Forschenden im akademischen Bereich Zivilist:innen. Er selbst ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Neuere Geschichte. Stöckmann sieht die Uni als offenen Wissenschaftsstandort durch den Militärischen Sicherheitsbereich in Gefahr: „Wir als Forschende müssen immer wieder betonen, dass wir eine zivile Uni sind, gerade gegenüber ausländischen Wissenschaftlern. Das könnte durch das Vorhaben schwieriger werden.“

Auch wisse niemand ganz genau, was der MSB in der Praxis bedeutet. Mindestanforderungen sind unter anderem Einlasskontrollen und eine Waffenkammer auf dem Gelände. In dem offenen Brief kritisieren die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen außerdem, dass nicht mehr je­de:r ohne Weiteres Zutritt zum Campus hätte. Vorträge, Podiumsdiskussionen und andere Veranstaltungen könnten nur noch nach vorheriger Ausweiskontrolle besucht werden. Weiter heißt es, dass dies „mittel- bis langfristig die Attraktivität der HSU als Kooperationspartnerin beeinträchtigen“ könnte.

Mindestanforderungen sind Einlasskontrollen und eine Waffenkammer auf dem Gelände

Aus diesem Grund hatte sich auch der akademische Senat als höchstes Entscheidungsgremium der HSU einstimmig gegen das Vorhaben des Verteidigungsministeriums ausgesprochen. Laut HSU hatte der Universitätspräsident Klaus Beckmann daraufhin vorgeschlagen, den Sicherheitsbereich „räumlich und zeitlich flexibel“ zu gestalten. Das sei dem Verteidigungsministerium aber zu teuer gewesen. Außerdem würde diese Lösung nicht genug Schutz bieten.

In einem militärischen Sicherheitsbereich hätten Sol­da­t:in­nen außerdem Weisungsbefugnis gegenüber zivilen Besucher:innen. Auch könnten auf dem ganzen Campusgelände willkürliche Durchsuchungen angeordnet werden.

Die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen des offenen Briefs sehen diese Maßnahmen im Widerspruch zum „demokratischen Kern universitärer Praxis“ Denn die angehenden Offiziere, die an der HSU den Großteil der Studierenden ausmachen, sind für die vier Jahre ihres Studiums eigentlich als Sol­da­t:in­nen beurlaubt. Nur wenige kämen mit Uniform zur Vorlesung, sagt Stöckmann. Lediglich am Donnerstagnachmittag würden die Studierenden an militärischen Übungen wie Schießtrainings teilnehmen. Davon sind die zivilen Studierenden aber ausgeschlossen.

Auf Anfrage der taz beteuert die HSU, den „Charakter der Universität als Wissenschaftscampus des Bundes von internationaler Sichtbarkeit“ nicht beeinträchtigen zu wollen. Die Maßnahmen sollten „so niederschwellig wie möglich“ gehalten werden. Sämtliche Antworten der HSU auf die Anfrage wurden zuvor vom Verteidigungsministerium abgesegnet.

Warum der Campus genau jetzt zum militärischen Sicherheitsbereich erklärt werden soll, will das Verteidigungsministerium aus „Sicherheitsgründen“ nicht verraten.

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