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Performance aus der VogelperspektiveEine ornithologische Reise

Die Performance „Schwarm“ im Revier Südost betrachtet die Welt von oben. Dabei kommen Themen wie Migration und Umweltsünden in den Blick.

Die Kraniche schwärmen aus im Revier Südost Foto: Marcus Lieberenz

Im Revier Südost stelzen am Freitagabend riesige kranichähnliche Wesen im Sonnenuntergang umher. Sie gehören zur Performancegruppe Grotest Maru und inszenieren heute zum ersten Mal als Teil des Summer of Performance das Stück „Schwarm“ auf dem Gelände der ehemaligen Bärenquell Brauerei, das jetzt Revier Südost heißt. Während des ganzen etwa eineinhalb Stunden dauernden Stücks werden die Kranich-Performer dabei auf drei Meter hohen Stelzen gehen und ihre riesigen Flügel schlagen und schwingen, sodass man das Gefühl hat, sie seien einem seltsamen Traum entkommen.

Grotest Maru inszeniert schon seit 1996 und verbindet seitdem Theater mit Tanz und Musik, immer unter Einbeziehung von architektonischen Räumen, dem Öffentlichen und dem Privaten. So werden Be­su­che­r:in­nen auch beim „Schwarm“ nicht an einem Platz sitzen bleiben, sondern sich mit zu verschiedenen Orten auf dem Gelände des Revier Südost bewegen. Bei der Ankunft auf dem weiten Platz, zwischen den halb verfallenen Ruinen der alten Brauerei, wo die Inszenierung beginnt, bekommen Be­su­che­r:in­nen Kopfhörer, über die sie mit Text und Musikeinlagen durch das Stück geführt werden.

Ein Teil der Stücks ist nämlich eine ornithologische Exkursion durch die Lebensgewohnheiten von Zugvögeln, die hier durch die Kraniche auf den Stelzen verkörpert werden. Die Exkursion führt die Gäs­te an verschiedene Orte, an denen verschiedene Dinge passieren, die Mal mit Video-Projektionen auf Wände, mal mit Texteinlagen aus den Kopfhörern hinterlegt sind. Die Reise wird geleitet von einer Gruppe von Or­ni­tho­lo­g:in­nen in einteiligen grauen Anzügen, die die Be­su­che­r:in­nen begleiten, immer dem Schwarm hinterher, und sich um Text, Sound-Untermalung, Licht und Video-Installationen kümmern.

Gefahren der Reise

Und dann gibt es da noch eine kleine Person in einem roten Anorak, die die ganze Zeit über ein hölzernes Ruder in der Hand hält. Was oder wer sie sein soll, wird nicht ganz klar, jedenfalls scheint sie manchmal für und manchmal gegen den Schwarm zu arbeiten, manchmal springt sie fröhlich in seiner Mitte, ein anderes Mal bedroht sie die Kraniche scheinbar mit dem Holzruder. Vielleicht soll sie eine Metapher für die Menschheit sein oder die launenhafte Natur.

Die Performance

„Schwarm“ läuft im Revier Südost wieder am 6. + 7. August, jeweils 20:30 Uhr.

Die Exkursion führt im Laufe des Stücks immer tiefer in das Gelände der alten Brauerei hinein. Manchmal fühlt man sich an den Film „Nomaden der Lüfte“ von Jacques Perrin erinnert, der viele verschiedene Zugvögelarten bei ihrer jährlichen Reise von Europa in den Süden begleitet und in oft dramatischen Szenen die Strapazen zeigt, die die Vögel dabei auf sich nehmen. Zwischen den Bergen aus Bauschutt und den Video-Installationen von Müllbergen, die an die Wände der alten Gebäude geworfen werden, muss auch der Schwarm viele Gefahren und Schwierigkeiten meistern.

Teilweise entsteht so auch hier eine unheilvolle Atmosphäre, die einen kleinen Eindruck von den oft menschengemachten Widrigkeiten vermittelt, mit denen die Zugvögel auf ihren jährlichen Reisen kämpfen müssen.

Diese unheilvolle Stimmung ist von der Perfomancegruppe Grotest Maru durchaus beabsichtig. Was sie nämlich auch will, ist, sich auf einfach zugängliche Weise mit den drängenden Fragen unserer Zeit zu beschäftigen: mit dem Klimawandel, dem Artensterben, dem Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Natur, aber auch mit Fragen von Herkunft und Migration und wer in welchem Land leben darf und wer nicht. Während der Schwarm herumstelzt, geht es in den Texten auch immer wieder um Identität und Zugehörigkeitsgefühle. Die Per­for­me­r:in­nen erzählen woher sie kommen, wo sie sich zu Hause fühlen und welches Verhältnis sie zu Deutschland haben.

Trotz der Texte, der Videos und der artistischen Performance wird das Stück manchmal etwas langatmig, und es scheint, als drifteten die Be­su­che­r:in­nen und die Inszenierung auseinander. Gerade weil sich die Gruppe ständig bewegt und die Schau­spie­le­r:in­nen durch die Stelzen und die riesigen Flügel ziemlich bewegungseingeschränkt sind. Doch wenn eine leichte Langeweile aufkommt, wird die sofort von der Kulisse mit den riesigen alten Gebäudskeletten, den herausgeschlagenen Fensterscheiben und den enormen Graffiti an den Wänden abgefangen, und dann funktioniert das Stück doch wieder sehr gut.

„Schwarm“ beschäftigt auch auf dem Weg nach Hause und wenn man längst zu Hause ist. Daheim braucht man eine Zeit lang, um die einzelnen Elemente in einen Zusammenhang zu setzen. Wenn das gelungen ist, hat die Inszenierung vor allem eines gezeigt: dass Landesgrenzen aus der Vogelperspektive betrachtet eigentlich nur Fiktionen in den Köpfen der Menschen sind.

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