Radeln lernen: Im Fahrradglück

Von wegen selbstverständlich: Drei Menschen zwischen 7 und 64 Jahren erzählen, wie sie vor Kurzem Fahrrad fahren gelernt haben.

Radler im Sonnenaufgang zwischen grünen Bäumen

Kann pures Glück sein: Radeln im Sonnenaufgang Foto: Julian Stratenschulte/dpa

„Ein Gefühl von Freiheit“

Es gibt mir so ein Gefühl von Freiheit, Fahrrad zu fahren! Aber der Anfang war schwer. Ich habe vor drei Jahren Fahrrad fahren gelernt, mit #Bikeygees e. V. Das ist ein Verein, bei dem Frauen Fahrrad fahren lernen können. Eine Trainerin hat mich von links gestützt, eine von rechts, und dann ging es los.

Erst sind wir ganz langsam gefahren, dann ein bisschen schneller, und irgendwann konnte ich es allein. Meine erste richtige Fahrradfahrt habe ich mit meinen Geschwistern gemacht – von Potsdam zum Wannsee. Mit Bikeygees sind wir auch schon mal an die Ostsee geradelt. Das war wunderschön.

Im Irak, wo ich herkomme, dürfen Frauen nicht Fahrrad fahren. Und selbst wenn wir es dürften: Es wäre sehr gefährlich, weil es an den Straßen keine Radwege gibt. Aber jetzt habe ich mein eigenes Rad, mit Schloss und Helm und allem. Auch von #Bikeygees! Es ist kein Rennrad, aber trotzdem schnell.

Ich mache damit Ausflüge oder fahre zum Einkaufen oder manchmal in die Schule. Gerade mache ich eine zweijährige Ausbildung zur Sozialassistentin. Das erste Jahr habe ich schon abgeschlossen, sogar mit Auszeichnung. Danach würde ich gern mit Menschen mit Behinderung oder mit Kindern arbeiten.

Das Logo zeigt ein Fahrrad

Die Bundestagswahl ist eine Klimawahl. Ab dem 28. Juni stellen wir deswegen eine Woche unsere Berichterstattung unter den Fokus Mobilitätswende: Straßenkampf – Warum es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wie wir mobil sind. Alle Texte: taz.de/klima

Seit einem Jahr bin ich Trainerin für #Bikeygees. Während der Pandemie mussten wir unsere Gruppen verkleinern, manchmal haben wir auch nur Eins-zu-Eins-Trainings gemacht. Wegen der Kontaktbeschränkungen konnten wir auch unser System mit dem Abstützen nicht mehr nutzen. Deswegen haben wir mit Klapprädern geübt, und zwar zuerst ohne Pedale. Dann kommt erst eine wieder dran, dann die zweite.

Es macht mir viel Spaß, Trainerin zu sein. Vor allem, den Frauen die Angst vor dem Fahrrad zu nehmen. Ich erzähle ihnen, dass ich am Anfang auch Angst hatte. Und wenn ich es geschafft habe, dann schaffen sie es auch!

Shaha Khalaf, 21, macht eine Ausbildung zur Sozialassistentin und träumt davon, mit dem Fahrrad von Berlin bis in die Sächsische Schweiz zu fahren.

„Fahrrad fahren macht immer Spaß“

Fahrrad fahren habe ich schon mit fünf Jahren gelernt. Ich hab das selbst gelernt! Also meine Geschwister haben mir ein bisschen geholfen. Und mein Papa. Wir waren bei meiner Tante Ramona zu Besuch. Sie wohnt auch in Berlin. Erst mal bin ich mit Stützrädern gefahren, dann hat mein Papa die Stützräder abgemacht, und dann bin ich losgefahren. So einfach war das! Hingefallen bin ich noch nie.

Nach den Sommerferien komme ich in die zweite Klasse. Meine Schule heißt Elbeschule. Ich kann sehr schnell Fahrrad fahren. Aber in die Schule fahre ich nicht, weil die fast neben meinem Zuhause ist. Und ich habe kein Schloss. Fahrrad fahren macht mir immer Spaß! Ich habe ein eigenes Fahrrad, aber die Kette ist ab. Das müssen wir jetzt reparieren. Mein Fahrrad ist blau-schwarz und es ist sehr schön. Ich fahre mit meinen Freunden auf der Straße rum und auf den Spielplatz.

Haule, 7, geht in eine Berliner Grundschule. Sein Traum von einem eigenen Fahrrad hat sich erfüllt.

„Die Angst ist weg“

Meine Fahrradzeit endete vor 24 Jahren mit einem rechts abbiegenden Lkw. Er hat mich angefahren, ich war der zweite Sieger. Damals habe ich gerade für einen Marathon trainiert. Der Traum hatte sich ausgeträumt, ich kann von Glück sprechen, dass ich überlebt habe.

Aufs Fahrrad habe ich mich dann nicht mehr getraut – bis zum letzten Jahr und einer sehr hilfreichen Hypnosebehandlung. Im Urlaub auf Hiddensee habe ich mir dann ein Rad geliehen und den Sattel so niedrig gestellt, dass ich mit beiden Beinen auf dem Boden stehen konnte. Da wusste ich, dass es wieder geht.

Durch Zufall habe ich von der Berliner Radfahrschule für Erwachsene erfahren. Ich wollte endlich wieder richtig fahren können und meldete mich an. Der Lehrer war unfassbar toll. Eigentlich fängt man mit Rollern an, aber schon in der dritten Stunde hat er mich aufs Fahrrad gesetzt. Ich hatte solche Angst.

Er hat das Fahrrad festgehalten und zu mir gesagt: „Jetzt üben Sie mal, auf- und abzusteigen und ich kümmere mich um den nächsten Patienten.“ Und bis er wieder bei mir war, bin ich schon gefahren und vor Stolz fast vom Rad gefallen. Ich glaube, das war seine Absicht. Wahrscheinlich wusste er auch, dass es besser ist, wenn er mir nicht zuschaut.

Meine erste Fahrt ging in einen Park in meiner Nachbarschaft. Der ist nicht weit weg, so 300 Meter. Mit allem, was dazugehört: Rechts vor links, die Müllabfuhr kam vorbei. Es war schon das ultimative Erlebnis für mich, das alleine zu machen. Jetzt dehne ich meinen Radius so langsam aus.

Zwei, drei Mal in der Woche fahre ich zum Kräuter sammeln in den Park. Es gibt dort zwar immer weniger Kräuter, aber genügend – wenn man weiß, wo sie zu finden sind! Von einem LKW möchte ich noch nicht überholt werden, aber die Angst vor dem Fahrrad ist weg. Ich komme nach dem ersten, zweiten Anstupser in Fahrt. Und das ist so das pure Glück!

Maria Bernhardt, 64, war Buchhändlerin. Sie träumt davon, mit dem Fahrrad in die S-Bahn zu steigen und an einen See zu fahren.

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