Expertin über trans* Menschen in Hamburg: „Es gibt keine Safe Spaces“

Nach einem Angriff auf der Reeperbahn landete eine trans* Frau im Krankenhaus. Ein Gespräch mit Expertin Cornelia Kost über die Situation in Hamburg.

Menschen gehen durch die Reeperbahn-Seitenstraße Große Freiheit.

Feier- oder Angstraum? Die Reeperbahn ist auf hässliche Weise beides Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

taz: Frau Kost, war der Angriff am Wochenende ein Einzelfall oder sind trans* Personen immer Gefahren ausgesetzt?

Cornelia Kost: Geschlechtsdiverse Menschen haben ständig mit struktureller Gewalt zu tun. So ein singulärer Vorfall wie auf der Reeperbahn ist eines von ganz vielen Gewaltereignissen, denen Menschen, die sichtbar als trans* wahrgenommen werden, tagtäglich ausgesetzt sind. Im Übrigen nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im unmittelbaren Umfeld, etwa in der Familie. Ich selber berate trans* Jugendliche, denen passiert das immer wieder. Einem unserer Jugendlichen hat kürzlich ein Mann an die Brust gefasst, der ihn fragte, ob er Mann oder Frau sei. Man muss immer damit rechnen, dass es Übergriffe gibt.

Was können Betroffene tun, wenn Sie Opfer werden?

Sie können sich an Beratungsstellen wie uns wenden. Wenn wir von Übergriffen erfahren, ermuntern wir die Betroffenen, den Vorfall zur Anzeige zu bringen und stellen den Kontakt zu den Ansprechpersonen für LSBTI* der Hamburger Polizei her. Die Menschen dort machen eine sehr gute, vertrauenswürdige und engagierte Arbeit. Es ist unglaublich wichtig, dass mehr Taten zur Anzeige kommen, ansonsten entsteht der Eindruck, dass diese Art von Kriminalität gar nicht besteht.

Ist Hamburg eine sichere Stadt für trans* Menschen?

Für trans* Menschen gibt es keine wirklichen Safe Spaces, auch nicht in Hamburg. Da fast alle geschlechtsdiversen Menschen zumindest zeitweise Weiblichkeit leben müssen, erleben sie die tagtäglich gegen Frauen gerichtete Gewalt. Aspekte von Passing während der Transition können das verstärken, also ob sie von Außenstehenden so gelesen werden, wie sie gelesen werden möchten. Der Vorfall auf der Reeperbahn zeigt doch ganz klar, dass es keinen sicheren Stadtteil für Menschen gibt, die als geschlechtsvariant bzw. weiblich wahrnehmbar sind. Trans* Menschen sind ständig unter Druck, egal ob sie auf die Straße gehen oder sich beim Arzt mit falschen Papieren herumschlagen müssen. In Hamburg gibt es aber immerhin eine ganz gute Versorgungsinfrastruktur, etwa für Hormonbehandlungen, für die auch Menschen aus Niedersachsen und Bremen hierher kommen. Wir haben hier auch engagierte Beratungsstellen.

Wie sieht die Vernetzung der Community in Hamburg aus?

Hier besteht eine vielfältige Angebotsstruktur. Das Magnus-Hirschfeld-Centrum hat eine Selbsthilfegruppe für Jugendliche sowie die trans*­weib­li­che Selbsthilfegruppe „Switch“. Und es gibt die „Hanse X-Men“, die mit Abstand größte trans*­männ­li­che Selbsthilfegruppe im norddeutschen Raum.

Ist trans* sein politisch?

Was die Community angeht, ist es so, dass trans* sein nicht über die Selbsthilfegruppen hinaus politisiert, da es eher ein Zustand ist, den man eine bestimmte Zeit lang hat und dann versucht wieder unsichtbar zu werden. Daher ist trans* anders, als schwul oder lesbisch zu sein, wo es etablierte Strukturen gibt. Die Infrastruktur wird in der Regel nur vorübergehend genutzt.

Es gibt immer mehr geoutete trans* Schüler*innen. Sind die Hamburger Schulen entsprechend sensibilisiert?

Ich habe selber zwei trans* Pflegekinder, die zur Schule gehen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es sich durchaus komplex gestaltet. Es gibt in Hamburg den Aktionsplan sexueller Vielfalt, der die Behörden dazu verpflichtet, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Entsprechend gilt das auch für die Schulbehörde. Die ist über das Institut für Lehrerbildung engagiert und nimmt auch am Runden Tisch Transidentität teil, der vom Magnus-Hirschfeld-Centrum initiiert wurde.

Welchen Problemen sind Sie als Mutter begegnet?

Die Schulen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, sind sehr engagiert. Ein großes Problem ist allerdings, dass die alten Namen, die die Kinder vor ihrer Transition hatten, weiterhin in der Lehrer- und Schüler-Datenbank stehen. Dadurch entsteht ein Zwangsouting, wenn beispielsweise ein neuer Lehrer in eine Klasse kommt. Das hat auch eines meiner Kinder erlebt, der dann Angst hatte, in die Schule zu gehen.

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