Stasi-Unterlagen nun im Bundesarchiv: Roland Jahns erfüllte Mission

1983 wurde Roland Jahn als Dissident aus der DDR ausgebürgert. Er hat seitdem die Erinnerung an die SED-Willkür wachgehalten.

Roland Jahn vor dunklem Hintergrund

Roland Jahn hat zehn Jahre lang die Stasi-Unterlagenbehörde geleitet Foto: Fabian Sommer /dpa

DRESDEN taz | Ja, Roland Jahn hat einst für die Ostberlin-Seiten der taz geschrieben, nach seiner gewaltsamen Ausbürgerung aus der DDR 1983. Widerwillig blieb er im Westen, arbeitete unter anderem als Journalist für das ARD-Magazin „Kontraste“ und den SFB. Nur heimlich und illegal reiste er zu Treffen mit der Opposition wieder in die DDR zurück.

Sein Abschied nach einem Jahrzehnt vom Amt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagenbehörde geht einher mit der Überführung der Akten in das Bundesarchiv Konstanz. 1983 wurde Roland Jahn als Dissident aus der DDR ausgebürgert. Er hat seitdem das Gedächtnis an die SED-Willkür wach gehalten.Diesen Umzug hat Jahn schon 2019 verteidigt. Viele befürworten ihn schon aus technischen Gründen, weil das sprichwörtlich schlechte DDR-Papier dort besser gesichert werden kann.

Der Abschied des knapp 68-Jährigen weist auch darauf hin, dass die Generation der Zeitzeugen, der tatsächlichen Opfer von SED-Willkür, auf das Ruhestandsalter zugeht. Zwei seiner aufsässigen Freunde aus der Jenaer Szene sind schon in Rente: Der Schriftsteller Lutz Ra­the­now war in Sachsen Jahns regionaler Kollege, Siegfried Reiprich war Geschäftsführer der Sächsischen Gedenkstättenstiftung.

Das thüringische Jena, wo Jahn 1953 geboren wurde, war in den 1970er und 1980er Jahren mit seiner renitenten Akademikerszene ein besonderes Pflaster. Obschon in der Schule nicht gerade ein Mitläufer, verweigerte Jahn aber nicht den Wehrdienst. Doch Proteste gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns führten 1976 zu seiner Exmatrikulation. 1982 saß er dann wegen der am Fahrrad sichtbarer Solidarisierung mit der polnischen Oppositionsgewerkschaft Solidarność in Untersuchungshaft.

Gegen Stalin wie Hitler

Bekannt wurden seine Postkarten mit Selbstporträts, auf denen er halbseitig als Hitler und als Stalin geschminkt zu sehen war. Die literarisch geprägte „Friedensgemeinschaft“ Jena war insofern eine Besonderheit, als sie selbstständig und nicht unter dem Dach der Kirche oder getarnt etwa beim Kulturbund wirkte. Die überfallartige Abschiebung Jahns und weiterer 40 Aktivisten kam am 8.Juni 1983.

2011 wählte ihn der Bundestag mit überwältigender Mehrheit zum Nachfolger von Ma­rian­ne Birthler. Umstrittener blieb seine danach bekundete Absicht, sich von Mitarbeiterin mit Stasivergangenheit in seiner Behörde zu trennen. Gleichwohl trat Jahn nie als eifernder Jakobiner auf, etwa getrieben von Rachegelüsten für selbst erlittenes Unrecht. Die Akzentverschiebung weg von der Archivarbeit hin zu Opferberatung und vor allem Bildungsarbeit hat er befördert. Akteneinsicht sieht er weiterhin gewährleistet, wobei diese zunehmend Angehörige von Verstorbenen beantragen.

Unbefriedigend bleiben für Jahn die Aus­ein­andersetzung und der Dialog mit den früheren Tätern. Scharf hat er sich stets vom Missbrauch einstiger Wende-Begriffe und Rufe wie „Wir sind das Volk“ durch rechte Demonstranten distanziert. Auch mit einer Gleichsetzung der DDR-Diktatur mit Corona-Auflagen verhöhne man damalige Opfer. Am Donnerstagabend ist Roland Jahn im Berliner Historischen Museum verabschiedet worden.

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