Neues Album von Grüner Star: Punk für die Partei der Arbeit

Mit ihrem neuen Album „Hauptsache, es bleibt friedlich“ lotet die Hamburger Punkband die Gemengelage zwischen Pop und deutschen Texten aus.

Vier Männer sitzen am Frühstückstich

Galao ist der neue Punk: Grüner Star Foto: Promo

Es gibt Alben, die erst ein paarmal durchlaufen müssen, und selbst dann findet man zu mancher Musik keinen Zugang. „Hauptsache, es bleibt friedlich“, das Zweitwerk der Hamburger Allstar-Band Grüner Star, klingt hingegen vom ersten Ton an äußerst vertraut, sofern punkiger Gitarrenpop der letzten Dekaden nicht komplett an den geneigten Hö­re­r:In­nen vorbeigegangen ist.

Verantwortlich dafür, dass die euphorische Atmosphäre bis zum Schluss anhält, ist ein Quartett, dessen Besetzung dem Who’s who des hanseatischen Punk-/Indie-Undergrounds der letzten 30 Jahre entspricht: Man kennt die vier Musiker (Andreas Reth, Florian Gelling, Nils Schuhmacher und Stephan Fust)

durch ihr Mitwirken bei Graf Zahl, Die Charts, Abbau West, Concorde, Der Fremde, Tusq, Venus Vegas und Schneller Autos Organisation; Bands, die über Hamburg hinaus Fans haben und doch nur ein kleiner Aktivitäten-Ausschnitt des Schaffens der beteiligten Künst­le­r:In­nen darstellen.

„Kennt ihr mich noch von früher?“, fragt folgerichtig Sänger Nils Schuhmacher, doch nicht etwa im Auftaktsong, sondern erst, als das Album von Grüner Star schon fast sein Ende erreicht hat. Es ist die verspätete Einladung, ihn an einen besseren Ort zu begleiten: „Ich nehm den nächsten Bus / Ich nehm das nächste Rad / Ich fahr an einen Ort, der mehr als einen Ausgang hat“, heißt es weiter, und selbstverständlich sind wir da schon längst mit Schuhmacher und Grüner Star unterwegs in viele Richtungen.

Es ist mehr als nur die Erfahrung der Musiker, die das Hören dieses Albums zu einem maximal stilsicheren Erlebnis werden lässt. Tief verwurzelt im angloamerikanischen Indie-Underground, haben Grüner Star ganz offensichtlich Wipers, die frühen Guided By Voices und Pavement gehört und auch verstanden. Sie teilen auch deren unaufgeregte Attitüde, eine Haltung, die weder nach Zeitgeist noch Erfolg ausgerichtet ist und Lo-Fi-Sound mischt mit dem in all den Jahren des Musikmachens erworbenen Wissen und Selbstbewusstsein zum musikgewordenen Mittelfinger namens „Hauptsache, es bleibt friedlich“.

Grüner Star: “Hauptsache, es bleibt friedlich“ (Dian/Broken Silence)

Der Sound von Grüner Star besticht durch punkige Rotzigkeit und Druck. Aufgenommen sind die Songs im Studio von Mense Reents (Goldene Zitronen), dessen Aktivitäten am Mischpult des bundesdeutschen Undergrounds einen eigenen Artikel füllen würden.

Anti-strategisch im Übungsraum

Es geht bei Grüner Star weniger um strategische Positionierungen, ihr Album klingt, als mache die Band in erster Linie Musik für sich und schert sich nicht, ob vor der Tür des Übungsraums jemand davon Notiz nimmt. Und so kann Schuhmacher uns auch die Eingangsfrage kurz vor Schluss stellen, denn er weiß, wer will, verfolgt das Schaffen von Grüner Star schon seit dem ersten Song.

Mit Fug und Recht darf Schuhmacher auch als einen der unterschätztesten Texter und Sänger deutschsprachiger Poppunksongs bezeichnet werden. „Hamburg und Mannheim, Köln, wir werden uns niemals wiedersehen / Ich hab noch ’nen Gruß von dir / Hast du noch den Brief von mir? / Und was da drinsteht, das ist harmlos und verjährt“, singt er.

Wer seinen markanten Gesang nicht den Vorgängerbands zuordnen kann, der kann sich von der Kombination aus eigenwilligen Texten und fetzigen Punk- und Popsongs mitreißen lassen. Seine Texte lassen Raum für lakonische politische Bekundungen („Ich bin ein einfaches Mitglied / in der Partei der Arbeit“), aber sie driften glücklicherweise nie in fades Befindlichkeitsgewinsel ab und wecken somit angenehme Erinnerungen an die norddeutsche Punk-Tradition zwischen Turbostaat, Oma Hans und Dackelblut. Mit dem Album „Hauptsache, es bleibt friedlich“ von Grüner Star kann man nichts falsch machen.

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