Antiziganismus-Bericht für Deutschland: Zynismus und Ignoranz

Ein Ex­per­t:in­nen­be­richt zeichnet ein düsteres Bild der Situation von Sin­ti:­ze und Rom:­nja in Deutschland. Auch politisch dürfte sich wenig ändern.

Bei einer Demo halten Gruppen Flaggen der Roma

Foto: Doro Zinn

Sin­ti:­ze und Rom:­nja sind im deutschen Alltag vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt. Sie werden von Po­li­zis­t:in­nen öfter kontrolliert und verdächtigt als weiße Menschen, sind also von Racial Profiling betroffen. Sie werden beim Einkaufsbummel vom Ladendetektiv skeptisch beäugt, der sie als potenzielle Diebe sieht. Sie haben es schwerer in der Arbeitswelt oder bei der Wohnungssuche, und die Liste ließe sich fortführen, bis zu körperlichen Angriffen durch Rechtsextreme.

Diese düstere Lage wird von der deutschen Mehrheitsgesellschaft weitestgehend ignoriert. Deshalb ist es gut und verdienstvoll, dass eine Expert:innen-Kommission im Auftrag der Bundesregierung Antiziganismus in Deutschland systematisch untersucht und aufgearbeitet hat. Das Bild, das sie in ihrem 500 Seiten starken Bericht zeichnet, ist deprimierend. Antiziganistische Klischees und Vorurteile sind weit verbreitet, auch die Medien spielen eine ungute Rolle, indem sie jene reproduzieren. Wenn Zeitungen etwa über Kleinkriminalität berichten, wird das Problem oft ethnisiert, also einer bestimmten Volksgruppe zugeschrieben. Soziale Ursachen werden eher vernachlässigt. Um einen Text zu bebildern, muss dann gern die bettelnde Frau im bunten Kleid mit zwei Kindern auf dem Schoß herhalten.

Gut und verdienstvoll ist deshalb auch, dass die Ex­per­t:in­nen Ideen liefern, die die Diskriminierung mindern könnten. So wird neben der realistischen Analyse der Situation auch ein Weg aufgezeigt, wie es besser laufen könnte. Was davon umgesetzt wird, ist eine andere Frage. An die Politik geht etwa die Forderung, die Einstufung mehrerer Balkanstaaten als sogenannte sichere Herkunftsländer zurückzunehmen. Diese Asylrechtsverschärfung hat die Große Koalition beschlossen, um Abschiebungen zu erleichtern.

Zu erwarten ist also Folgendes: CDU, CSU und SPD werden am Donnerstag im Parlament einem Bericht applaudieren, der sie kritisiert – und ihre Gesetze lassen, wie sie sind. Zum zynischen Umgang der Gesellschaft mit Sin­ti:­ze und Rom:­nja passt das ganz gut.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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