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Antisemitismus im FußballHasspartikel in allen Ritzen

Die Feinfühligkeit in Sachen Rassismus ist groß, auch im Fußball. Aber was ist mit antisemitischen Tendenzen in Europas Ligen?

„Only Jews and Pussies“: Fans von Partizan Belgrad machen den FC Tottenham Hotspur verächtlich Foto: Imago/Aleksandar Djorovic

A ntirassistische Slogans haben sich im Fußball fest etabliert. Sie gehören zur fixen Ikonographie von Spielen, etwa in der englischen Premier League. In der Partie von Manchester United gegen den FC Liverpool wurde dem Zuschauer am Donnerstag der gute Wille der Klubs gleich doppelt präsentiert, mit einem großen Plakat auf der noch immer zuschauerfreien Tribüne und in regelmäßigen kleinen Einspielern unter dem Ergebnisdienst.

Nun kann man nicht verlangen, dass der Fußball auf tagespolitische Ereignisse reagiert. Das wäre geradezu absurd und würde dem Gedanken der idealiter manipulationsfreien Unterhaltung zuwiderlaufen, aber auffällig ist es schon, dass Kampagnen gegen Judenhass und aufdringliche Israelfeindlichkeit zwei bis drei Nummern kleiner gefahren werden – wenn sie denn überhaupt ihren Platz in der Aufmerksamkeitsökonomie finden.

Derzeit lässt die radikale Hamas von Gaza aus Raketen auf Israel regnen, präsentiert sich in einem Dauerkonflikt als Aggressor, und es ist nur der technologischen Überlegenheit des einzigen demokratischen Staates im Nahen Osten zu verdanken, dass es nicht Dutzende zivile Opfer gibt. Israel nimmt sein Recht auf Selbstverteidigung wahr und reagiert mit Gegenschlägen, deren Zerstörungskraft und Kompromisslosigkeit – zugegeben – pazifistische Gemüter gleichfalls erschrecken lässt.

Dieser seit Jahrzehnten schwelende und politisch scheinbar unlösbare Konflikt wirkt wie ein Brandbeschleuniger des gegenseitigen Hasses. Er hat dazu geführt, dass es in der arabischen Welt alle nur erdenklichen Formen des Antisemitismus und Antizionismus gibt; diese Hasspartikel in den Köpfen sind so zahlreich wie Sandkörner in der Wüste Sinai. Vor allem: Die Partikel sind mobil und längst nach Europa geweht, wo sie in die Ritzen der Zivilgesellschaft gedrungen sind.

Ausnahmsweise alternativlos

Es gibt nun Fußballprofis mit familiären Wurzeln im arabischen Raum, die ihre Sympathie mit dem palästinensischen Kampf gegen Israel und der antiisraelischen Boykottkampagne BDS nicht verhehlen. Das wirkt in Deutschland – um es vorsichtig zu formulieren: geschmacklos. In einem Land, in dem in der Nazizeit sechs Millionen Juden systematisch ermordet wurden, gibt es eine besondere Verantwortung den Juden und Israel gegenüber.

„Der Zivilisationsbruch durch die Shoah ist beispiellos“, hat Angela Merkel 2008 in einer Rede vor der Knesset gesagt – und diese Haltung als Staatsräson zementiert. Sie hat auch gesagt: „Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Vergangenheit.“ Das ist in diesem Fall keine wohlfeile Politikerprosa, sondern alternativlos. Alternativlosigkeit ist in den allermeisten Fällen ein Ausdruck politischer Bequemlichkeit, hier gilt sie uneingeschränkt.

Daher sind all diese Beispiele verstörend, auch wenn sie sich nicht nur auf Deutschland beziehen: Wenn der Premier-League-Klub Aston Villa ein fröhliches Pessach-Fest wünscht und viel, viel mehr Dislikes als Likes bekommt. Wenn BDS-Unterstützer Roger Waters die Suspendierung israelischer Fußballklubs aus Fifa und Uefa fordert. Wenn Anhänger des niederländischen Klubs Vitesse Arnheim in Richtung der Ajax-Amsterdam-Fans „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ grölen und man den identischen Ruf auch auf Demonstrationen in Deutschland hören kann.

Wenn die Familie des israelischen Fußballspielers Eran Zehavi (PSG Eindhoven) Opfer eines mutmaßlich antisemitischen Übergriffs wird. Wenn der jüdische Sportklub Makkabi hierzulande immer stärker in die Zange genommen wird von rechtsextremen und muslimischen Antisemiten. Laut einer Umfrage von Makkabi Deutschland sind zwei Drittel der jüdischen Fußballer Opfer antisemitischer Vorfälle geworden.

Das Problem wird nicht kleiner. Im Gegenteil: Es besteht Handlungsbedarf.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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3 Kommentare

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  • Um mal die Geisteshaltung die dem Artikel zugrunde liegt kurz zusammenzufassen:



    - Palästinenser dürfen keine Gewalt ausüben, denn dann sind sie Aggressor (soweit okay)



    - Palästinenser dürfen nicht zu Boykott ausrufen (und andere dürfen ihn nicht unterstützen) denn das verletzt unsere historisch bedingte Sensibilität.



    - Palästinenser sollen am Besten einfach ruhig dasitzen damit wir sie ignorieren können, wie wir das immer machen wenn nicht gerade Gewalt ausgeübt wird, währenddessen Israel Fakten schaffen kann. Die sollen sich damit zufriedengeben, dass wir in unregelmäßigen Abständen sowas sagen wie "Was Israel macht ist schon nicht okay, aber die HAMAS ist so viel schlimmer!"



    - Wir deutschen dürfen einseitig Verurteilen (nämlich die Palästinenser), aber keinesfalls in die andere Richtung einseitig argumentieren. (oder warum wird der oft kaum Islamhass vieler Israelunterstützer in den Medien fast nie thematisiert, der leider existierende Antisemitismus unter denen, die eher Partei für die Palästinenser ergreifen aber PERMANENT ALLEN unterstellt!)



    - Aus unserer historischen Position heraus besteht anscheinend keine besondere Verantwortung für ALLE Unterdrückten (oder zumindest keiner, der stärker wäre als die einen expansionistischen Staat zu rechtfertigen)

    Meine Meinung: Die Palästinenser haben ein Recht von der internationalen Gemeinschaft ernstgenommen zu werden. Solche Artikel bewirken genau das Gegenteil. Völkerrechtsverletzungen sollten mit Sanktionen bestraft werden, ob das jetzt Saudi Arabien, China, Israel oder uns selber betrifft! Dieses ewige Getue als gäbe es in dem Konflikt eine Symmetrie, die es uns erlaubt uns zurückzulehen und zu sagen: "Beide Seiten sind tun Dinge die wir Verurteilen!" ist einfach moralisch eine Sauerei. Wen wunderts denn ernsthaft wenn sich Palästinenser radikalisieren? Wenn man systematisch entrechtet wird passiert sowas. Den Unterdrückten Vorwürfe zu machen weil einzelne Fraktionen zu radikal sind altert nie gut.

    • @Huege:

      Aus einem Land, das sechs Millionen Juden ermordet hat, müssen keine politischen oder moralischen Ratschläge an den jüdischen Staat ergehen. Das ist einfach nur widerlich und steht uns nicht zu.

      • @Friedel Castrop:

        Die Palästinenser haben moralisch betrachtet ein absolutes Recht, dass ihre Anliegen von der internationalen Gemeinschaft genauso behandelt werden, wie die anderer Gruppen.

        Irgendein Sonderstatus aufgrund unserer Vergangenheit lässt sich allein schon aufgrund dessen nicht rechtfertigen und ist meiner Meinung nach die dümmste Art zu argumentieren.

        Ich finde es widerlich wenn permanent Menschen vertrieben werden und wir so tun als ginge uns das nichts an (das lässt sich auch auf andere Konflikte anwenden). Jeder Mensch hat die Pflicht für die Rechte anderer Menschen einzustehen!