Lukaschenko bekommt frisches Geld aus Moskau

Nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs in Minsk sucht Belarus’ Präsident Unterstützung bei Kremlchef Putin – und kann sich über einen Kredit freuen

„Das Schicksal der jungen Frau ist uns nicht egal“

Dmitri Peskow, Putin-Sprecher

Von Bernhard Clasen, Kiew

Ein Hauch von Romantik schien die Yacht zu umgeben, die sich – von Delfinen begleitet – ihren Weg durch das Schwarze Meer bahnte. Auf der Yacht plauderten ein sichtlich gut gelaunter Alexander Lukaschenko, der Präsident von Belarus, und sein Gastgeber, Russlands Präsident Wladimir Putin.

Deutlich machen sollten diese Bilder vor allem eins: Zwischen die beiden Herrscher passt kein Blatt Papier. Die Reise der vergangenen Tage war Lukaschenkos dritter Besuch bei Putin in diesem Jahr. Kurz nach dem über fünfstündigen Gespräch am Freitagabend wurde bekannt, dass der belarussische Diktator auch die zweite Tranche von 500 Millionen US-Dollar eines im September versprochenen 1,5-Milliarden-Dollar-Kredits aus Russland bekommt. Der Wunsch, die Wirtschaftshilfe zu erhöhen, sei von Lukaschenko nicht geäußert worden, zitierte die Nachrichtenagentur Tass Putins Sprecher Dmitri Peskow. Wann die dritte Tranche nach Belarus fließt, wollte er nicht mitteilen.

In Riesenschritten geht die mögliche Bildung eines gemeinsamen Staates von Russland und Belarus allerdings nicht vonstatten. Auch der Übergang zu einer gemeinsamen Währung der beiden Länder sei nicht besprochen worden, sagte Peskow. Im Zentrum der Gespräche hätten vielmehr Fragen des Handels, der Wirtschaft und der Bekämpfung der Pandemie gestanden, aber auch das weitere Vorankommen bei der Bildung eines gemeinsamen Unionsstaates.

Sehr spät lieferte Peskow die Bewertung der Entführung der Ryanair-Maschine vergangene Woche. Putins Auffassung nach, so Peskow, würden die „voreiligen Schlüsse einiger europäischer Länder zum Vorfall mit dem Ryanair-Flugzeug ausschließlich auf Emotionen und nicht auf dem Versuch beruhen, die tatsächlichen Umstände zu klären“. Dabei erfordere die Situation „eine durchdachte und konstruktive Bewertung“.

Putin habe sich auch für das Schicksal der in Belarus inhaftierten Freundin des von Belarus entführten Journalisten Roman Protassewitsch, Sofia Sapega, einer russischen Staatsbürgerin, interessiert. „Das Schicksal der jungen Frau ist uns nicht egal“, sagte Peskow. Außerdem, so berichtet die staatliche belarussische Nachrichtenagentur Belta.by, habe man über eine Ausweitung der Flüge der belarussischen Fluggesellschaft Belavia in russische Städte gesprochen.

Wenig begeistert kommentierte der Journalist Alexander Klaskowski im belarussischen Portal naviny.online das Gipfeltreffen. Im Wesentlichen sei nur vereinbart worden, was schon zu einem früheren Zeitpunkt ausgehandelt worden war, schreibt Klaskowski. Er sei verwundert darüber, dass Lukaschenko keine Erhöhung der Wirtschaftshilfe angefragt haben solle. Schließlich brauche er gerade jetzt nichts mehr als Geld, um die Kredite aus dem Ausland zu bedienen.

Verwundert ist auch die russische gazeta.ru über einen anderen Umstand. Obwohl sich die Staatschefs auf einen Ausbau der Belavia-Flüge nach Russland geeinigt hätten, habe am Samstag der Chef dieser Fluggesellschaft, Igor Tscherginez, verlauten lassen, dass man Flüge auf die Halbinsel Krim nicht plane. Vor der Annexion 2014 hatte Belavia die Krim angeflogen.

Unterdessen, so berichtet die russische Agentur Interfax, hat die Generalstaatsanwaltschaft der „Volksrepublik“ Lugansk Anklage gegen Protassewitsch erhoben. Dieser sei 2014 dem „Asow“-Bataillon beigetreten und habe im Donbass gekämpft. Oleksi Kusmenko vom Recherchenetzwerk Bellingcat kommt hingegen nach Prüfung der Vorwürfe zum Schluss, dass es keine Beweise für die Behauptung gebe, Protassewitsch habe in der Ukraine gekämpft.