Segnungsaktion #liebegewinnt: Unterm Regenbogen

Mit ihren „Segnungsgottesdiensten für Liebende“ widersetzen sich Ka­tho­li­k*in­nen dem Vatikan – und machen Kirche zu einem demokratischeren Ort.

Ein Pfarrer hält bei einem Open-Air-Segnungsgottesdienst für Liebende vor der Kirche Christi Auferstehung einen Kelch - Hintergrund ist eine Regenbogenfahne zu sehen

Segnungsgottesdienst unter dem Motto #liebegewinnt am 9. Mai in München Foto: Felix Hörhager/dpa

Die Lernkurve, die G*tt am Beginn der Bibel hinlegt, ist bemerkenswert. Kaum stolpern die ersten Menschlein gewalttätig über die Erde, „reute es Adonaj, die Menschen auf der Erde gemacht zu haben, es schmerzte mitten im Herzen.“

Mit der Sintflut folgt der Versuch eines – ziemlich rigiden – Neuanfangs. Doch die geliebten Menschen waren auch nach dieser Aktion nicht anders zu haben als fehlerhaft, potenzialverschwendend und freien Willens. Das, so die althebräischen Erzähler*innen, verstand schließlich auch G*tt.

Und versprach, die Menschheit zukünftig nie mehr auszulöschen, komme, was wolle. Um sich selbst an das Gelernte und den versprochenen „ewigen Bund zu allen lebenden Wesen“ zu erinnern, setzte G*tt einen Regenbogen an den Himmel, ein Zeichen des Segens.

Unter diesem Regenbogen widersetzen sich nun katholische Geistliche und Laien mit „Segnungsgottesdiensten für Liebende“ einer Order aus dem Vatikan. Rom hatte Mitte März die Segnung queerer Paare endgültig untersagt.

Erst Unterschriftenaktion, dann #liebegewinnt

Doch das vatikanische „Responsum“ widerspricht dem wissenschaftlich-theologischen State of the Art und dem praktischen Gerechtigkeitsgefühl vieler haupt- und ehrenamtlicher Katholik*innen. So auch dem des Würzburger Hochschulpfarrers Burkhard Hose, der zunächst eine Unterschriftenaktion und schließlich mit 15 weiteren Engagierten die Segnungsaktion #liebegewinnt initiierte.

Von Aachen bis Zürich finden nun rund um den Namenstag des Sintflut-Überlebenden Noah, am 10. Mai, mehr als 100 Segnungsgottesdienste mit Abstand und Maske statt. Tausende katholische Queers und Heten feiern dabei „die Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe und Liebesgeschichten von Menschen und bitten um Gottes Segen. Ganz ohne Heimlichkeit.“

Damit konsumieren sie nicht nur ein persönlich-biografisches Ritual, sondern nehmen nach unzähligen Skandalen und römischen Querschlägen das Schicksal ihrer Kirche in die eigene Hand. Sie lassen ein lebensbejahendes, ehrliches, demokratisches Bild von Kirche aufblitzen. Sie geben ein Bild von Partnerschaft jenseits der patriarchalen Ehe und der kommerzialisierten Individualhochzeit ab.

Lernfähige Menschlein

Sie treiben von unten eine Veränderung der katholischen Kirche voran, die im Synodalen Weg zwar ein Verfahren gefunden hat, von manchem Oberhirten aber noch immer blockiert wird. Dabei ist die Reform dringend notwendig.

Zum einen, weil wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die tradierte Geschlechter- und Sexuallehre Gewalt im Raum der Kirche begünstigt. Zum anderen, damit die sozial-ökologischen Aspekte der kirchlichen Botschaft in den multiplen Krisen der Gegenwart endlich vernehmbar werden und zum Tragen kommen.

G*tt wird den Menschen der Genesis zufolge nicht auslöschen. Der freie Mensch, dem unter dem Regenbogen die Verantwortung für die Schöpfung übertragen wurde, sich selbst hoffentlich auch nicht. G*tt zeigt sich in der Bibel lernfähig. Die Menschlein urbi et orbi hoffentlich auch bald.

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