: Opfer erneut übergangen
Mediation statt Entscheidung im Hamburger Wintershall-Streit
Die Umzugspläne von Wintershall Dea in Hamburgs Hafencity laufen weiter, die Opferverbände werden per Mediation ruhig gestellt. Dabei sind sie strikt dagegen, dass der NS-belastete Konzern ins Gebäude des Dokumentationszentrums Hannoverscher Bahnhof zieht: Von dort wurden 8.000 Juden, Sinti und Roma deportiert.
Dabei untersagt der Vertrag zwischen Kulturbehörde und Investor eine Nutzung, die „in der Wahrnehmung der Opfer des Nationalsozialismus … im Konflikt mit dem Zweck des Dokumentationszentrums steht“. Doch der Investor vermietete ohne Rücksprache an Wintershall, die ihre Geschichte aufgearbeitet habe.
Nun werden die Opfer zum zweiten Mal übergangen. Diesmal liegt es nicht am vagen Vertragstext, sondern daran, dass Behörde und Investor den eigenen Vertrag umgehen. Der besagt, dass bei Disputen „der Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichts verbindlich über das Vorliegen eines Verstoßes entscheidet“. Das hieße: ein klares Zeichen für die Interessen Wintershalls oder aber der NS-Opfer zu setzen. Da der Senat aber froh war, den Dokumentationsort nicht selbst bauen zu müssen, wird er Wintershall kaum vergrätzen. Es wird also – auf wessen Initiative, ist unklar – statt einer Schlichtung bloß eine „partizipative“ Mediation geben.
Bereits deren Genese war allerdings wenig partizipativ: Behörde und Investor beschlossen schlicht, dass sich die Opfer einem Verfahren stellen, das keine Entscheidung bringt, sondern einen „Weg aus dem Konflikt“. Es kann also nur um Details gehen, einen weiteren Gedenkort etwa.
Das wollen nicht alle hinnehmen, daher blieben der Landesverband der Sinti und das Auschwitz-Komitee dem Erstgespräch am 5. Mai fern. „Wir beteiligen uns nicht an Weißwäscherei“, sagt Helga Obens vom Auschwitz-Komitee. Auch andere sagen: Falls die Opferverbände einem Kompromiss zustimmen, hätten sie sich ja quasi kaufen lassen. Petra Schellen
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