Peter Weissenburger
Unisex
: Unterdrückung als sanftes Ignorieren und Überschatten

Foto: Fo­to:­ Diviam Hoffmann

Falls Sie nach Muttertag und Vatertag den Wunsch haben, Beziehung, Familie und Kinder hinter sich zu lassen und unter falschem Namen woanders ins Single-Life einzutauchen: Vollstes Verständnis! Aber vielleicht versuchen Sie es erst mal mit der Fantasy? Erfolgreich, begehrt, voll versorgt und ungebunden in einer Villa am Meer chillen, während 20 attraktive Menschen einen umkreisen? Das verspricht „Princess Charming“, die Frauen-Datingshow bei Joyn. Ich kann’s kaum erwarten, und ich steh nicht mal auf Frauen.

20 Kandidatinnen und eine … ähm … begehrte Junggesellin?, Prinzessin?, Haupt­preisin? haben im April die erste rein weibliche deutsche Datingshow auf Kreta gedreht. Am 25. Mai geht es los für alle, die sich ein Abo bei Joyn leisten möchten. Ansonsten sollen die Folgen mit etwas Verzögerung auch im Free-TV von VOX zu sehen sein, ganz so wie beim schwulen Pendant. Gut so. Denn seien wir ehrlich, Streaming ist das Gegenteil von Mainstreaming. Es ist zwar super, dass von Streamingdiensten mehr queere Popkultur produziert wird als je zuvor – aber solange die ­Heten nicht im linearen Programm auf der Suche nach wertvollem Trödel und perfekten Dinners von flirtenden Lesben überrascht werden, ist es nun mal keine Sichtbarkeit, egal wie oft wir heimlich „Happiest Season“ abspielen. Für meine Entwicklung war Butch-Queen Katy Karrenbauer im RTL-„Frauenknast“ in den 2000ern jedenfalls entscheidend.

Ansonsten sieht es mit der Sichtbarkeit von Lesben und bi Frauen herzlich schlecht aus, wie immer. Maren Kroymann tut der Göttin Werk, aber sie kann nicht überall sein. Und wie viel les-bi-weibliche deutsche Unterhaltung fällt ihnen sonst so ein, aus den letzten Jahrzehnten? H_ll_ v_n S_nn_n – ich möchte lösen! Okay, hin und wieder schieben Soaps eine ihrer Frauenfigürchen mal vorübergehend in eine gleichgeschlechtliche Beziehung, um eine skandalöse Plot-Line zu erzeugen. Korrigieren Sie mich, wenn ich einen ganz offensichtlichen Fall von Mainstreamsichtbarkeit übersehe. Aber ich gucke beruflich Fernsehen und – da ist nicht viel. Queeres ohnehin nicht, weiblich Queeres noch weniger. Das war schon immer ein Problem. Wenn Queerness, dann erst mal Schwulness. Unterdrückung kommt nicht immer als Gewalt daher, sondern oft als sanftes Ignorieren und Überschatten. Ich will nichts entschuldigen, aber ich verstehe, warum so viele empfänglich sind für eine Rhetorik, wonach Lesben und trans Leute angeblich miteinander konkurrieren.

Die Fünftage­vorschau

Mo., 17. 5.

Gilda Sahebi

Krank und Schein

Di., 18. 5.

Susan Djahangard

Sie zahlt

Mi., 19. 5.

Anna Dushime

Bei aller Liebe

Do., 20. 5.

Hengameh Yaghoobifarah

Habibitus

Fr., 21. 5.

Volkan Ağar

Postprolet

kolumne@taz.de

Aber zurück nach Kreta. Princess ­Charming wird sich durch Kandidatinnen daten und eine zur Gewinnerin küren. Wen interessiert’s? Das Schöne an queeren Datingshows ist ja: Im Gegensatz zur Hetenvariante gibt es keine ­Nachfrage-Angebot-Disbalance – und somit keinen Grund, warum alle 20 der „Princess“ nachrennen sollten. Sie können ebenso gut miteinander in den Dünen verschwinden.