: Talente im Wartestand
Beim Buxtehuder Sportverein hoffen Mädchen auf eine Handballkarriere – sie sehen ihr Team derzeit aber nur per Zoom
Von Nele Aulbert
Die Sportplätze verrammelt, ein leeres Tor mitten auf einer wilden Wiese: Seit einem Jahr spielt die Welt des Breitensportes verrückt, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie schränken vor allem Mannschaftssportarten ein. Auch der Buxtehuder Sportverein (BSV) erlebt seit einem Jahr eine Achterbahnfahrt.
Während die Handballmannschaft in der Frauen-Bundesliga weitestgehend normal trainieren konnte, mussten die Jugendmannschaften des BSV immer wieder komplett aussetzen; so ist es auch derzeit. Viele Nachwuchstalente ziehen wegen des Handballs nach Buxtehude in Sportler*innen-WGs. „Gerade jetzt sind wichtige Jahre für wichtige Bewegungsmuster der Spielerinnen“, sagt Lars Dammann, Trainer der D-, C- und B-Jugend. Die Mädchen sind zwischen 13 und 18 Jahren, eine entscheidende Phase für die Sportkarriere. „Handball ist ein Mannschaftssport, wenn das Team fehlt, wird irgendwann auch die Motivation weniger“, sagt Dammann.
Das merken auch Liv Nowak und Sophie Kuc: Die beiden sind 14 Jahre alt und spielen in der C-Jugend des BSV. Sophie kommt aus Hollenstedt, durch den machbaren Fahrweg kann sie zu Hause wohnen. „Für mich ist meine Mannschaft wie eine zweite Familie“, sagt sie. Sie fing in der Grundschule an, Handball zu spielen, vor zwei Jahren ist sie zum BSV gewechselt. Vor Corona bestimmte Handball ihren Alltag: Sie hatte fünf Mal die Woche Training, oft nahm sie das Mittagessen im Auto ein, weil keine Zeit blieb zwischen Schule und Training.
Kraftübungen per Zoom
„Durch Corona ist alles weniger stressig“, sagt Sophie, „aber der Druck und auch die Erfahrungen und Möglichkeiten durch den Sport fehlen mir.“ Seit März musste das Präsenztraining der Mannschaft wieder komplett eingestellt werden. Momentan findet drei Mal die Woche Training über Zoom statt. Montags machen sie Kraftübungen und Work-outs, über die Kamera korrigiert die Trainerin die Haltung der Spielerinnen. Mittwochs findet Balltraining statt und donnerstags gibt es Dehnübungen. Dazu kommen Laufpläne. „Im ersten Lockdown war ich viermal die Woche laufen und meine Mutter ist mit dem Fahrrad nebenher gefahren“, erzählt Sophie.
Zweimal die Woche bietet der Hamburger Handballverband ein Auswahltraining in Präsenz an, bei dem es regelmäßig Talentsichtungen des Deutschen Handballbundes gibt. Im Februar 2020 wurde Sophie zu so einer Sichtung eingeladen: „Die Erfahrung, sich zeigen und beweisen zu können, war toll!“ Dieses Jahr wurde wegen der Pandemie die Teilnehmerzahl reduziert und Sophie wurde nicht mitgenommen. „Natürlich bin ich traurig darüber. Aber ich bin nicht wütend, es werden andere Sichtungen kommen“, sagt sie.
Umzug in die Sportler*innen-WG
Um in Buxtehude Handball spielen zu können, ist Sophies Teamkameradin Liv im Februar extra aus Rostock zu ihrer Schwester in eine Sportler*innen-WG des BSV gezogen. Ihre Mannschaft kenne sie bisher größtenteils aus Zoom-Meetings, sagt sie. Die Entscheidung für den Umzug sei sowieso schon nicht leicht gewesen, durch die Corona-Maßnahmen werde es noch schwerer. „Am meisten fehlen mir die Trainingslager und die Turniere.“ Ihre Mannschaft hat seit mehr als einem Jahr kein Punktspiel mehr gespielt.
Lars Dammann kennt die Sorgen der Sportlerinnen. „Manche Kinder verstehen nicht, wieso sie zu 30 im Klassenzimmer sitzen dürfen, aber nachmittags nicht mit denselben Menschen Sport machen dürfen“, sagt er. Vor allem das Soziale fehle, beim Training habe er die Mädchen darum am Anfang der Einheiten „manchmal auch einfach 15 Minuten quatschen“ lassen.
„Wir wissen auch, dass wir hier im Verein sehr privilegiert sind“, sagt Dammmann. Viele andere Vereine könnten ihre Außenanlagen gar nicht nutzen. Jugendliche über 14 Jahre, die keinen Leistungssport betreiben, könnten gerade gar keinen Sport machen.
Die Handball-Mädchen dagegen haben nächste Woche Aussichten auf Training im Freien in kleinen Gruppen – vorausgesetzt, es hört auf, in Strömen zu regnen.
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