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Hetz-Banner aufNPD-Demo war illegal

In Hannover wurden drei Männer verurteilt, die bei einer NPD-Demo gegen einen kritischen NDR-Journalisten ein Banner trugen. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz

Viel besser als Hetze gegen Journalisten: Anti-Nazi-Plakat Foto: Stefan Sauer/dpa

Von Nadine Conti

Im November 2019 gab es in Hannover eine NPD-Demo unter dem Motto „Gebührenfinanzierte Hetze stoppen – Julian Feldmann in seine Schranken weisen“. Mit dem, was diese Demo – Teilnehmerzahl nach Angaben des Veranstalters: 300 – nun schon an Gerichtskosten produziert hat, ließen sich allerdings bequem mehrere Rundfunkhäuser durchfüttern.

Drei größere Verfahren hatte es dazu schon gegeben: Erst klagte die NPD erfolgreich gegen das polizeiliche Verbot der Veranstaltung – dieses Verfahren ging durch zwei Instanzen bis vor das Oberverwaltungsgericht. Dann klagte erfolgreich der NDR – bei dem Julian Feldmann als Reporter beschäftigt ist und über die rechte Szene berichtet – gegen falsche Tatsachenbehauptungen im Demo-Aufruf. Der Aufruf musste geändert werden.

Dann klagte die NPD – dieses Mal erfolglos – gegen Tweets von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der zu Gegendemonstrationen aufgerufen hatte. Damit hatte er nach Ansicht der Rechten gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, der zuständige Staatsgerichtshof sah das anders.

Nun gibt es ein viertes Verfahren in dieser Sache vor dem Amtsgericht Hannover. Angeklagt sind die drei Männer, die beim Demozug vorneweg marschierten und das große Banner trugen, auf dem das Motto der Demo und ein durchgestrichenes Foto Julian Feldmanns zu sehen war. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Das ist wohl das, was noch übrig blieb, nachdem die Staatsanwaltschaft diverse Anzeigen von Dritten aus der ganzen Republik hin und her gewendet und auf Gerichtsfestigkeit abgeklopft hatte.

Die Demo in Hannover hatte damals für großen Wirbel und ein massives Medienecho gesorgt. Nicht zuletzt aus eigener Betroffenheit: Viele Journalistenverbände und Gewerkschaften empörten sich darüber, dass hier ein Kollege – in einigen Aufrufen wurden noch weitere Namen genannt – derart persönlich an den Pranger gestellt, bedroht und in seiner Berufsausübung behindert werden sollte. Es ist eine Sache, als Staatsfunk, Lügenpresse und Mainstream-Medium beschimpft zu werden – aber eine andere, mit Namen und Foto zur Zielscheibe gemacht zu werden.

Den Zorn der rechtsextremen Szene hatte Feldmann, der seit mehr als zehn Jahren über Rechte berichtet, vor allem mit einem Interview mit dem greisen NS-Kriegsverbrecher Karl Münter auf sich gezogen. Der 96-Jährige hatte darin vor laufender Kamera den Holocaust geleugnet – die NPD behauptete später, der von Rechts­extremisten verehrte Ex-SS-Mann sei vom Filmteam reingelegt worden.

Nun hat die NPD ihre Kritik an dem Journalisten auf dieser Demo allerdings so formuliert, dass zwar der Gesamtauftritt bedrohlich wirkt, aus den einzelnen Sätzen aber kaum Strafbares abzuleiten ist: „Feldmann in die Schranken weisen“ und „Feldmann muss weg“ stand auf den Bannern und einzelnen Plakaten. Das reicht weder für den Vorwurf einer Volksverhetzung noch der Bedrohung aus.

Blieb also nur das Kunsturhebergesetz. „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden“, steht dort. Verstöße können mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden.

Aber natürlich wird es auch hier bei den Details kniffelig: Sind die, die das Banner trugen, denn auch für den Aufdruck verantwortlich zu machen? Konnten sie überhaupt wissen, dass sie sich unter Umständen strafbar machen? Ist der Journalist Feldmann als relative Person der Zeitgeschichte zu betrachten, für die dann auch nach dem Kunsturhebergesetz andere Spielregeln gelten als für Normalsterbliche?

All dies sind Fragen, die das Amtsgericht unter Vorsitz von Strafrichter Reinhard Meffert nun klären musste. Und der ließ sich dafür auch Zeit: Begutachtete ausgiebig Demo-Fotos und Auszüge aus der Tagesschau, ließ sich genau erklären, wer wann wem welches Banner in die Hand gedrückt hat, wer diese Banner vorher alles schon überprüft hat, wo dieses Foto von Feldmann vorher schon überall aufgetaucht ist und so weiter und so fort.

Die NPD-Anhänger hätten das Foto von Julian Feldmann nicht verwenden dürfen, urteilte das Amtsgericht Hannover

Doch auch, wenn sich die zwei Verteidiger der NPD-Anhänger – der dritte Angeklagte verteidigte sich selbst – noch so große Mühe gaben: Am Ende verhängte Richter Meffert gegen alle drei eine Geldstrafe. 2.250 Euro (90 Tagessätze) muss der Demo-Anmelder, ein vorbestrafter NPD-Funktionär, zahlen. Die beiden Mitläufer zahlen je 40 Tagessätze, was entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse einmal auf 1.600 und einmal auf 600 Euro hinausläuft.

Sie hätten dieses Bild nicht ohne die Einwilligung des Abgebildeten durch die Gegend tragen dürfen. Und da hilft es den drei Angeklagten auch nicht, dass sie sich angeblich darauf verlassen haben, dass die Partei, ein NPD-Anwalt und die Polizei vor Ort das schon irgendwie überprüft hätten. Denn die hatten ja nach ganz anderen Straftatbeständen gesucht.

Die Strafbarkeit nach dem Kunsturhebergesetz ist überhaupt erst durch die Anzeige des Geschädigten entstanden. Die hat Feldmann allerdings auch erst im Nachhinein erstattet und das auch erst, nachdem er von der Polizei dazu aufgefordert worden war.

Der Journalist sei auch keine Person der Zeitgeschichte, sagte der Richter weiter – es sei geradezu eine Pervertierung der Ausnahmetatbestände im Kunsturhebergesetz, wenn man so leicht jemanden zu einer Person der Zeitgeschichte deklarieren könnte – nur weil er einer bestimmten Splittergruppe unangenehm sei.

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