Fonds schmeißt Buchhändler raus

Ein Investmentfonds aus Luxemburg hat erfolgreich auf Räumung gegen die Kreuzberger Buchhandlung Kisch und Co. geklagt

Straßentheater vor dem Gericht: Wenn der Spekulant kommt, muss die Kultur weichen Foto: Florian Boillot

Von Gareth Joswig

Die beliebte Kreuzberger Buchhandlung Kisch und Co. muss geräumt werden. Das urteilte das Verwaltungsgericht am Donnerstagmorgen und gab damit der Klage des Eigentümers des Hauses in der Oranienstraße 25 statt. Geklagt hatte der Investmentfonds Victoria Immo Properties, ein Geflecht luxemburgischer Briefkastenfirmen. Für den Kläger waren zwei Rechtsanwälte aus Frankfurt am Main zugeschaltet. Das Einzige, was sie zu der Verhandlung beitrugen, war: „Wir haben kein Mandat für eine gütliche Einigung.“

Entsprechend fiel das Urteil am Kriminalgericht Moabit wie erwartet aus: Die Buchhandlung muss die Räume verlassen und die Kosten des Verfahrens tragen. Revision ist zugelassen. Ob die Buchhändler davon Gebrauch machen, ist noch offen. Die Anwälte der Buchhandlung hatten noch versucht, eine Regelungslücke im Gewerbemietrecht geltend zu machen. Angesichts der Preisentwicklung auf dem Berliner Immobilienmarkt müsste für Kleingewerbe ähnlicher Mieterschutz gelten wie für Wohnraum.

Das sah das Gericht allerdings anders. Der Richter erklärte: „Mag sein, dass sich politisch betrachtet eine Regelungslücke ergibt, aber uns sind da die Hände gebunden.“ Bei Änderungsbedarf müsse die Politik reagieren.

Das Gebäude wurde 2019 von der Berggruen Holdings GmbH für 35,5 Millionen Euro an die Victoria Immo Properties V S.a.r.l. verkauft. Diese Anonymität gewährende Rechtsform ist laut Rosa-Luxemburg-Stiftung besonders bei Investoren beliebt. Dahinter stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erbinnen des Tetrapak-Gründers Ruben Rausing, Kirsten und Sigrid Rausing.

Der Buchhändler Frank Mertens konnte den Prozess immerhin nutzen, um eine politische Erklärung abzugeben. Er sagte: „Wir sitzen hier, weil wir natürlich auch um unsere Existenz kämpfen. Aber darüber hinaus geht es auch um den Erhalt des gesamten Kultur- und Sozialstandorts Oranienstraße 25.“ Auch die weiteren Projekte in dem Haus seien bedroht. Keine Mietpartei im Haus könnte sich die vom neuen Eigentümer verdreifachten Mietpreise leisten.

Mertens brachte den Konflikt noch einmal auf den Punkt: „Auf der einen Seite steht das Profitinteresse einiger steinreicher privater Spekulanten, die sich hinter treuhänderisch agierenden Anwälten verstecken. Auf der anderen Seite steht die jahrelange Arbeit von Kulturschaffenden, Galeristen, Museen und das Engagement der Anwohnenden.“ Die aus Frankfurt zugeschalteten Anwälte ließen die Erklärung regungslos über sich ergehen. Die erneute und in Vergangenheit sogar vom Senat unterstützte Forderung nach einem günstigeren Mietvertrag perlte an ihnen ab. Ebenso unterstützen zahlreiche Schrift­stel­le­r:in­nen den Buchladen mit einer Unterschriftenliste.

Der Prozess fand nach polizeilicher Anordnung unter übertrieben wirkenden Sicherheitsvorkehrungen statt. Jour­na­lis­t:in­nen wurden zweimal gründlich durchsucht und durften nur Block und Stift mit in den Saal B129 nehmen, in dem sonst Terrorverhandlungen stattfinden.

Gegen die Verdrängung der Buchhandlung gibt es seit mehr als einem Jahr allerdings nur friedliche Proteste von An­woh­ne­r:in­nen und Kiez-Initiativen. Auch Donnerstagfrüh protestierten bis zu 200 Personen friedlich, aber laut vor dem Gericht. Dort versprach der Kreuzberger Linke Pascal Meiser nach dem Urteil, sich für ein verbessertes Gewerbemietrecht einzusetzen. Auch Canam Bayram (Grüne) war vor Ort.