petition der woche
: Den Vernünftigen
eine Stimme geben

Anlass der Petition Exponentielles Wachstum, fehlende Maßnahmen dagegen

Das wollen die Initiatoren Sofortigen strikten Lockdown

Das wollen sie nicht Verzögerung des Lockdowns und vermeidbare Tote

Es dauerte nur 26 Stunden, da hatte die Petition bereits ihr Ziel erreicht: 50.000 Unterschriften. Genau in dem Moment, als Publizistin Marina Weisband am Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ über die Petition sprach, übersprang selbige das Quorum.

InitiatorInnen der Petition sind Autor und Schriftsteller Friedemann Karig und Spiegel- und Übermedien-Kolumnistin Samira El Ouassil, die gemeinsam einen Podcast betreiben. Darin war in den vergangenen Wochen immer wieder ihr Unverständnis, ihre Wut und Ohnmacht zu spüren. „Wir waren mütend. Obwohl: Bei uns trifft es wüde besser, die Betonung liegt eher auf der Wut“, sagt Karig am Telefon. Als Konsequenz daraus starteten die beiden nun die Petition mit dem unmissverständlichen Namen „Wir fordern einen strikten Lockdown gegen die dritte Welle. Jetzt.“ Sie richtet sich an Angela Merkel und die Ministerpräsident*innen.

Vom Credo des früheren „Tagesthemen“-Moderators Hanns Joachim Friedrichs: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht mit einer Sache gemein macht, auch nicht mit einer Guten“, kehrten Karig und El Ouassil sich mit ihrer Aktion bewusst ab. „Abwarten, Besserwissen und Zuschauen ist ab einem gewissen Punkt nicht länger neutral. Wir sind da aber auch in einer etwas günstigeren Position. Politikjournalisten sollten nicht unbedingt anfangen, ständig Petitionen zu starten.“

Bis Redaktionsschluss haben fast 80.000 Menschen unterschrieben. Laut Anna Frey von der Plattform openpetition sind solche Zahlen bei Petitionen, die nicht von Interessenverbänden initiiert werden, ziemlich selten. Sie sieht darin ein Zeichen dafür, „dass Petitionen auch ganz organisch so schnell wachsen können, wenn das Thema Menschen am Herzen liegt.“

Die Petition solle den Vernünftigen eine Stimme geben. Karig ist frustriert über Politik, die eher an Wirtschaftsinteressen und Gruppen wie den „Querdenkern“ orientiert sei. „Aber Politik findet ja nicht im luftleeren Raum statt. Wenn wir mit 10.000 Leuten vor dem Bundestag stehen oder jeder seine Abgeordneten anruft, dann erzeugt das Druck.“

Wissenschaft und Bevölkerung scheinen die Forderungen zu unterstützen. Eine Oxford-Studie belegt die Wirksamkeit harter Lockdowns. Zeitgleich sind im ZDF-Politbarometer zwei Drittel der Bevölkerung gegen neue Lockerungen, ein Drittel davon sogar für härtere Maßnahmen. „Der Lockdown kommt so oder so“, sagt El Ouassil im Podcast. Die Frage sei nur, wann.

Karig hofft trotz der frustrierenden Situation auf einen gesellschaftlichen und politischen Lernprozess: „Agieren wir so wie jetzt auch in der Klimakrise, steht in 50 Jahren kein Stein mehr auf dem anderen. Vielleicht lernen wir aus der aktuellen Situation ja etwas.“

Damit der Lernprozess beginnen kann, muss die Gesellschaft sich aber erst einmal aus dem exponentiellen Wachstum befreien.

Ob die Petition dazu etwas beitragen kann, wird sich zeigen. Karig schrieb selbst wenige Stunden vor der Veröffentlichung: „Wie viele Stimmen bräuchte man, um gehört zu werden? 100.000? Eine Millionen? Fünf Millionen?“ Wächst die Petition weiter so schnell, werden sie das wohl bald herausfinden. Marius Ochs