Regieren im falschen System

Die Linke streitet bei ihrem Landesparteitag um den geplanten Personalabbau bei der Krankenhausgesellschaft Geno. Für viele aus der Basis geht es dabei um mehr als die Rettung einzelner Stellen

Danke, liebes Krankenhaus-Personal. Dürfen dann jetzt die Stellen abgebaut werden? Foto: Kay Nietfeld/dpa

Von Lotta Drügemöller

Wie viele Stellen darf eine linke Senatorin im Gesundheitssystem abbauen lassen? Sind es 440? Bedeutend weniger? Oder ist schon die Art der Frage falsch? Beim Online-Parteitag der Linken an diesem Wochenende stritten die Delegierten vor allem über den geplanten Stellenabbau bei der städtischen Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord (Geno).

Der Personalabbau ist so nicht tragbar – da ist sich die linke Basis einig. Gleich fünf Anträge zum Thema standen zur Abstimmung. Die Forderungen reichten bis zum Koalitionsbruch. Den gibt es nicht – eine große Mehrheit stimmt stattdessen am Ende dafür, dass zumindest während der Pandemie kein Stellenabbau stattfinden dürfe.

440 Stellen, so hieß es im Februar von der Geschäftsführung der Geno, müssen abgebaut werden, damit die Krankenhausgesellschaft wieder auf wirtschaftlich stabilen Boden kommt. Schon jetzt ließe man Verträge einfach auslaufen, berichtet beim Parteitag als Gast die Krankenpflegerin Ariane Müller: Zwar sollen Pflegekräfte nicht von den Stellenkürzungen betroffen sein, aber weil sie nun die Arbeit von Hilfskräften übernehmen, bliebe doch mehr Arbeit bei ihnen hängen.

Politisch verantworten müsste die Entscheidung die linke Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der Geno ist. Bernhard will dem Stellenabbau in dieser Größenordnung gar nicht zugestimmt haben: Die Geschäftsleitung der Geno habe die Zahl von 440 Stellen an die Medien weitergegeben, bevor sie selbst sie kannte, so Bernhard gegenüber den Delegierten.

Doch auch wenn sie die Zahl für zu hoch hält – gegen den Personalabbau insgesamt wendet die Gesundheitssenatorin sich nicht: „Es wird eine Personalumsteuerung geben müssen“, so Bernhard. Die Geno beschäftigte schlicht zu viele zu teure Ärzte, und die Verwaltung sei aufgebläht. Die Senatorin proklamiert für die Geno die Schwarze Null bis 2024.

Für einige Delegierte aus der Antikapitalistischen Linken bedeutet das ein Einknicken vor dem System. Schließlich müsse „Gesundheitspolitik dem Diktat von wirtschaftlicher Logik entzogen“ werden, heißt es in ihrem Antrag. „Krankenhäuser müssen die Gesundheit der Bevölkerung sichern und nicht das Personal ausbeuten“, so der Delegierte Jürgen Willner.

„Die Senatorin hat nicht die Macht, von heute auf morgen das Gesundheitssystem zu ändern“, verteidigt sich Bernhard. „Ich muss dafür sorgen, dass wir eine Perspektive mit dem Klinikverbund haben. Das sind wir auch den Pa­ti­en­t*in­nen schuldig.“ Akzeptiert wird diese Erklärung nicht von allen: „Wir stellen die Gesundheitssenatorin“, so Sebastian Rave aus dem Landesvorstand. „Wenn uns trotzdem nur die Hände gebunden sind, frage ich mich: Welchen Wert hat die Beteiligung an der Regierung?“

„Wir regieren hier nicht ewig“

Christoph Speer, Landesvorsitzender der Linken

Der Antrag aber, der die Koalition infrage stellt, wird eindeutig abgelehnt. 14 Ja-Stimmen gibt’s, 37 mal Nein. Einen Wert sehen die meisten eben doch. Auch den grundsätzlichen Reformbedarf der Geno erkennen viele Mitglieder an – wenn auch nicht über Stellenstreichungen.

Eine breite Mehrheit bekommt am Ende die Synthese aus zwei ursprünglich gesonderten Anträgen. Die wichtigste Forderung darin: Die Stellenstreichungen werden durch ein Moratorium ausgesetzt, so lange die Pandemie andauert. Wenn die Gesundheitssenatorin auf diesen Beschluss ihrer Partei hört, müsste sie vorerst alle auslaufenden Stellen wieder neu besetzen.

Was zunächst harmlos klingt, ist einigen schon zu viel gefordert: Der Landesvorsitzende Christoph Spehr kritisiert: „Zwei Jahre nichts zu tun, ist falsch.“ Man vertage das Problem. „Wir regieren hier nicht ewig“, so Spehr. Wenn man die Geno ohne überzeugende Personalplanung übergebe, würden andere entscheiden. Eine Folge könnte die Privatisierung sein, fürchtet er.

Dienen soll die Zeit aber laut den An­trags­stel­le­r*in­nen nicht nur, um die Pandemie heil zu überstehen (oder unliebsame Entscheidungen anderen zu überlassen), sondern um Zeit für eine vernünftige Reform zu gewinnen. „Bisher will die Geschäftsführung ja nicht Strukturen ändern, sondern einfach Leute wegkürzen. Wir müssen die Zeit nutzen, eine sinnvolle Struktur für die Geno zu erstellen.“