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Die Polizei als Täter

Mit einer Stadtführung weisen Aktivisten auf Racial Profiling hin

So ein Gewaltmonopol des Staates hat ja zwei Seiten: Schön ist, dass nicht je­de*r den Mitmenschen auf die Nase geben darf, schlimm ist aber, wenn das Monopol in Händen liegt, die selbst ungerecht handeln. Für Ak­ti­vis­ti*­in­nen ist das grundsätzlich der Fall: „Die Polizei als großes Ganzes schützt ein System, das auf Ungleichheit beruht“, meint Lorena Kowals­ki von KOP Bremen – der Kampagne für Opfer von rassistischer Polizeigewalt. Für den internationalen Tag gegen Polizeigewalt am Montag plant die Gruppe einen „Stattspaziergang“ – eine geführte Tour zu Orten von Polizeigewalt.

Das Thema brennt. Der Tod des 19-Jährigen Qosay K. in einer Polizeizelle in Bremens Nachbarstadt Delmenhorst hat erst vergangene Woche bundesweit für Aufsehen gesorgt. Warum der junge Mann gestorben ist, wird noch ermittelt. Freun­d*in­nen des Toten berichten aber vom Einsatz von Pfefferspray bei der Festnahme – dessen Gefährlichkeit im Zusammenwirken mit Drogen ist lange bekannt.

Auch Mohamed Idrissi würde wohl noch leben, wenn seine Hausvermietung im Juni 2020 den psychiatrischen Dienst statt der Polizei zur Wohnungsbesichtigung gerufen hätte. Ein Video zeigt die Minuten vor Idrissis Tod: Der psychisch Kranke hält ein Messer, Po­li­zis­t*in­nen schreien auf ihn ein. Als einer Pfefferspray benutzt, läuft Idrissi los und wird von einem Beamten erschossen. Nun ist ein weiteres Video aufgetaucht, dass die Situation nach dem Schuss zeigen soll: Angemessen gekümmert haben sich die Beamten laut dem Anwalt der Familie da nicht um den Angeschossenen.

KOP verweist auf solche Todesfälle, lenkt den Blick aber noch weiter darüber hinaus auf den tristen Alltag: Der Spaziergang führt nicht nach Delmenhorst und nicht nach Gröpelingen, sondern in die Innenstadt und in das alternative Bremer Viertel – Stationen, die für die alltägliche Gefahr des Racial Profilings stehen: Diese „Gefahrenorte“ erlauben bislang Kontrollen auch ohne besondere Gefahrenlage. Dass am Ende vor allem People of Colour kontrolliert werden, kann man zwar den Berichten von Betroffenen entnehmen – eine unabhängige Untersuchung fehlt jedoch. Der Stattspaziergang soll Institutionen markieren, die in den Augen von KOP Verantwortung tragen: Vorbei geht die Tour an der Staatsanwaltschaft, einer Wache und am Beweissicherungsdienst, wo 2004 bei einer Drogensuche mittels Brechmittelvergabe Laye Condé gestorben ist – noch ein Bremer Todesopfer.

Hoffnung machen kann eventuell das neue Bremer Polizeigesetz: Ab September müssen Kontrollen schriftlich begründet werden – je­de*r soll erfahren, womit er*­sie den Verdacht auf sich gezogen hat. Für KOP freilich reicht diese Neuerung nicht: „Das kann die Lage verbessern. Aber im Großen halten wir die Polizei in diesem System für unreformierbar.“ Lotta Drügemöller

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