piwik no script img

heute in bremen„Wir können die Frauen nicht alleine lassen“

Foto: Bundestag

Kirsten Kappert-Gonther

54, ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und sitzt für die Bremer Grünen im Deutschen Bundestag.

Interview Mahé Crüsemann

taz: Frau Kappert-Gonther, was ist das Problem mit Schwangerschaftsabbrüchen?

Kirsten Kappert-Gonther: Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland immer noch im Strafgesetzbuch geregelt und bleibt lediglich unter bestimmten Auflagen straffrei. Das zentrale Problem ist, dass die Versorgungslage für Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft, die einen Abbruch durchführen möchten, zunehmend schwieriger wird. Der Zugang zu einem medizinisch sichereren Abbruch ist längst nicht mehr bundesweit sichergestellt. Das ist inakzeptabel.

Wie kommt diese Unsicherheit zustande?

Das Wissen, wie sichere Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, ist nicht in der medizinischen Ausbildung verankert. Zunehmend weniger Ärz­t:in­nen führen Schwangerschaftsabbrüche durch. Wir wissen, dass die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche seit Jahrzehnten etwa gleich bleibt. Dadurch, dass Abbrüche restriktiv gehandhabt werden, werden sie nicht verhindert. Es wird aber gefährlicher für Frauen, die ungewollt schwanger sind, wenn sie sich gezwungen sehen, auf unsichere Methoden zurückzugreifen.

Was muss sich konkret ändern?

Der Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs, der das Verbot eines Schwangerschaftsabbruchs regelt, ist 150 Jahre alt. Er gehört endlich raus aus dem Strafgesetzbuch. Die Diskussion darüber muss wieder auf die Agenda.

Wie wollen Sie das machen?

Wir müssen die Debatte auf allen Ebenen führen, im Bundestag, in der Gesellschaft und in den Bundesländern. Der medizinische Versorgungsauftrag für Schwangerschaftsabbrüche liegt bei den Ländern. Wir müssen also auch hier in Bremen darüber reden, wie der Zugang zu Abbrüchen sichergestellt wird.

Ist es politisch klug, so etwas durchbringen zu wollen?

Das ist eine Frage der Notwendigkeit. Wir können die Frauen doch nicht alleine lassen. Es ist falsch, unnötige Hürden zu etablieren und so Frauen zu gefährden. Das Motto muss sein: Frauen vertrauen.

Nur wenige Ärzt:innen führen Schwangerschaftsabbrüche durch. Wenn der Paragraf 218 nun abgeschafft würde, wäre das Problem doch nicht gelöst, oder?

Wenn wir den Paragraf 218 aus den Strafgesetzbuch rausnehmen, gäbe es bessere Möglichkeiten für Ärzt*innen, die Techniken zu lehren und zu lernen, damit flächendeckend sichere Abbrüche möglich sind. Sie müssten keine Sorge mehr haben, strafrechtlich belangt zu werden. Die Repressionen gegen Ärzte und Ärztinnen sind nicht akzeptabel.

„Mein Körper – meine Entscheidung“: digitale Podiumsdiskussion, 18.30 Uhr, Teilnahme-Link auf www.gruene-bremen.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen