Parlamentswahl im Kosovo: Sieg für die Reformer

Im Kosovo hat die Generation der Unabhängigkeitskämpfer ihren Ruf verspielt. Die Wahlsieger versprechen den Aufbau eines funktionierenden Staates.

Jubelnde Frauen in der Wahlnacht

UnterstützerInnen der linken Reformbewegung Vetevendosje feiern den klaren Wahlsieg im Kosovo Foto: Visar Kryeziu/AP/dpa

Trotz Kälte und Corona hat die kosovarische Bevölkerung bei gestiegener Wahlbeteiligung der Bewegung „Selbstbestimmung“ (Vetëvendosje) einen Erdrutschsieg beschert. Ungeachtet der Diffamierungskampagne durch die Medien der geschlagenen Altparteien wird die Reformregierung Albin Kurti und Vjosa Osmani an die Macht zurückkehren.

Was musste der als Kommunist, Nationalist oder Islamist verunglimpfte linke Reformpolitiker Albin Kurti alles aushalten, bis jetzt die Dinge geklärt werden konnten. Es waren ja nicht nur die korrupten innenpolitischen Gegner, die Kurti zum Teufel wünschten, auch die internationale Gemeinschaft unter Einschluss der EU war und ist Kurti gegenüber misstrauisch. Die US-Regierung unter Donald Trump zog vor einem Jahr sogar die Fäden, um die erste Regierung Kurti/Osmani nach nur wenigen Wochen zu stürzen.

Der Erdrutschsieg von Vetëvendosje bedeutet gleichzeitig die vernichtende Niederlage der Generation der ehemaligen Kämpfer der Befreiungsfront UÇK, die mit Hilfe der Nato den Krieg gegen die serbische Herrschaft 1996-1999 gewonnen und Kosovo in die Unabhängigkeit geführt hatte. Indem diese Generation ihre Legitimation als Volkshelden verspielte, weil sie den neuen Staat als Steinbruch für ihre persönliche Bereicherung nutzte, versäumte sie, der Gesellschaft eine Perspektive für die Zukunft zu geben.

Und vernichtend geschlagen wurde auch die einstmals stolze Partei Demokratische Liga LDK, weil die Altherrenriege ihre Spitzenkandidatin Vjosa Osmani aus der Partei ekelte. Weil Osmani sich Vetëvendosje anschloss, trug sie wesentlich zum deutlichen Sieg der Reformer bei, denn die Hälfte der LDK-Wähler folgten ihr.

Offen ist aber noch, ob der Wahlsieg mit knapp 50 Prozent zu einer Mehrheit im 120-köpfigen Parlament führt. Kurti und Osmani wollen keine Kompromisse eingehen. Sie haben den Aufbau eines funktionierenden Staates versprochen und haben die Mitstreiter, die dieses Vorhaben auch durchsetzen können. Die Jugend, die modernen Mittelschichten der Städte, aber auch viele der ins Elend gestürzten Menschen aus der älteren Generation haben am Sonntag gesprochen.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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