Bewährung
nach Sozialbetrug

Im Prozess um zu Unrecht bezogene Sozialleistungen ist das Urteil gegen den Drahtzieher gefallen. Verfahren gegen Migrant*innen folgen noch

Im Prozess um massenhaften Sozialleistungsbetrug in Bremerhaven hat das Landgericht Bremen den Angeklagten am Mittwoch zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Wegen Betrugs, versuchten Betrugs und Untreue verhängte die Kammer zudem eine Geldstrafe von 620 Tagessätzen je 12 Euro.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 59-Jährige in den Jahren 2013 bis 2016 Migrant*innen unberechtigt Sozialleistungen verschaffte und sich dafür von ihnen bezahlen ließ. Dem Jobcenter entstand durch die Taten laut Anklage ein Schaden von rund sechs Millionen Euro in vielen kleinen Einzelbeträgen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auch die Migrant*innen wurden getäuscht

Laut Urteilsbegründung hat der Mann als Vorsitzender zweier Vereine in Bremerhaven ein betrügerisches System aufgebaut, um Migrant*innen Sozialleistungen zu verschaffen und daran zu verdienen. Pro Tag kamen bis zu 70 Menschen in die Vereinsräume; der Vorsitzenden Richterin zufolge war dem 59-Jährigen klar, dass die Frauen und Männer kein Anrecht auf Sozialleistungen hatten. Um das Jobcenter zu täuschen, gab er die Menschen als Angestellte mit geringfügiger Beschäftigung aus.

Die Migrant*innen, die kaum Deutsch konnten, unterschrieben alle Papiere – ohne zu verstehen, worum es sich handelte. Viele dachten, der Mann betreibe eine Außenstelle des Jobcenters. Für die Dienstleistungen verlangte der heute 59-Jährige von ihnen Gebühren, die aber häufig nicht oder nicht voll bezahlt wurden.

Wie viel Geld der Mann durch die Taten von den Zuwanderern eingenommen hat, konnte die Kammer nicht genau feststellen. Sie schätzte die Summe auf rund 37.000 Euro. Zudem habe er weitere rund 17.000 Euro durch Untreue erlangt, da er unbefugt Geld von den Vereinskonten auf sein Konto überwies, so die Richterin.

Reue wirkt strafmildernd

Der Angeklagte hatte während der Verhandlung ein umfassendes Geständnis abgelegt und Reue gezeigt. Er habe geholfen, die Vorwürfe aufzuklären und das Verfahren zu beschleunigen, so die Vorsitzende Richterin. Zugunsten des Angeklagten wertete die Kammer zudem, dass der 59-Jährige nicht vorbestraft ist.

Die Prozessbeteiligten hatten sich bereits im Januar auf einen Strafrahmen geeinigt, der eine Bewährungsstrafe zwischen 20 Monaten und zwei Jahren und eine Geldstrafe vorsah. Noch nicht aus der Gefahrenzone sind die Migrant*innen, die die Sozialleistungen erhalten haben: Gegen sie laufen dem Gericht zufolge noch hunderte Verfahren.

Weil der nun Verurteilte der Vater eines Bürgerschaftsmitglieds der SPD ist, hatte sich bereits ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Fall beschäftigt. Der Abgeordnete war aber von der Staatsanwaltschaft nicht angeklagt worden. (dpa/taz)