Diskussion um Schulöffnungen und Abitur: Erstmal Ferien machen

Berliner Schulleiterverbände sind gegen eine schnelle Öffnung im Lockdown. Die Abiturfrage soll diese Woche entschieden werden.

Schulflur des John Lennon Gymnasiums

Flur ohne SchülerInnen am Berliner John-Lennon-Gymnasium Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl

BERLIN taz | Berliner SchulleiterInnenverbände sprechen sich gegen eine schnelle Öffnung der Schulen noch vor den am 1. Februar beginnenden Winterferien aus. „Die Schulen brauchen Zeit, um wieder hochzufahren, das geht nicht von jetzt auf gleich“, sagt Astrid Sabine Busse, Vorsitzende der Interessenvertretung Berliner SchulleiterInnen und Leiterin der Grundschule in der Köllnischen Heide mit Blick auf eine wahrscheinliche Lockdown-Verlängerung auch für Schulen und Kitas, die am Dienstag in einer Bund-Länder-Schalte zwischen den MinisterpräsidentInnen und der Kanzlerin beschlossen werden soll.

Busse sagt, mit Blick auf die nur langsam zurückgehenden Infektionszahlen in Berlin sei eine Schulöffnung nicht realistisch. Zudem habe sich das Distanzlernen vielerorts gut eingespielt: „An unserer Schule haben wir da zu einer guten Struktur aus analogen und digitalen Elementen gefunden, das können wir auch noch ein paar Tage länger durchhalten.“

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte Anfang Januar nach einigem Hin und Her über Schulöffnungen trotz Lockdown ursprünglich mal angekündigt, am heutigen Dienstag erneut darüber entscheiden zu wollen, ob zumindest die Grundschulen noch vor den Winterferien wieder mit halbierten Klassen und Abstandsregeln im eingeschränkten Präsenzbetrieb öffnen können. Für die Klassen 1-6 würde es dann am kommenden Montag wieder losgehen mit einem Mix aus einigen Stunden Unterricht pro Tag im Wechsel mit Homeschooling.

Dass es dazu kommt, ist aber inzwischen wenig wahrscheinlich: Wie am Dientagvormittag aus einer gemeinsamen Vorlage für die Bund-Länder-Schalte hervorgeht, sollen „bis 15. Februar die Schulen grundsätzlich geschlossen“ bleiben, in Kitas soll „analog verfahren“ werden. Die Länder müssen diese grundsätzliche Linie noch ausgestalten, in Berlin setzt sich der Senat erst am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammen. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass deutlich von der Linie abgewichen wird.

Gunilla Neukirchen, Vorsitzende der SchulleiterInnen in der Lehrer-Gewerkschaft GEW, ist ebenfalls dafür, die SchülerInnen noch länger im Homeschooling zu belassen: „Angesichts der Infektionszahlen und auch der Unsicherheit, wie sich die Virus-Mutation noch auswirken kann, können wir die Schulen noch nicht wieder öffnen.“

Distanzlernen funktioniert vielerorts

An Neukirchens Schule hat eine Schulkonferenz deshalb auch bereits vor einem möglichen offiziellen Senatsbeschluss entschieden, dass kein Präsenzunterricht vor den Winterferien mehr stattfinden soll. Man habe sich für diesen schulinternen Beschluss extra von Ärzten und Experten vom Robert Koch-Institut beraten lassen, sagt Neukirchen. Zudem sei es schwierig, als Schule immer wieder spontan reagieren zu müssen: „Das Distanzlernen funktioniert gut bei uns, wir haben ein System entwickelt und das würden wir jetzt gerne durchhalten“, sagt Neukirchen. Die „Kurzatmigkeit“, mit der man bisher immer wieder neu mit pädagogischen Konzepten auf Beschlüsse habe reagieren müssen, sei schwer durchzuhalten.

Ein Sprecher von Senatorin Scheeres mag den Beratungen im Senat am Mittwoch nicht vorgreifen, es werde aber in jedem Fall „eine konzertierte Entscheidung“ sein. Offenbar will man kein erneutes tagelanges Öffnen-oder-nicht-Chaos wie in der ersten Januarwoche.

Schulleiterin Busse betont, wenn es um Öffnungen gehe, müsse man zunächst die ersten und zweiten Klassen im Blick haben: „Da sehen wir schon jetzt große Defizite, weil die Alphabetisierung zu Hause natürlich nicht so klappt wie in der Schule.“ Vielen ErstklässlerInnen fehle zudem merklich das letzte Kitajahr, das ebenfalls schon unter Pandemiebedingungen stattfand: „Da können viele den Stift nicht richtig halten – aber das korrigiere ich nicht aus der Ferne bei einer Videokonferenz“, sagt Busse.

Entscheidung über das Abitur

Möglichst zügig soll nun auch eine Regelung gefunden werden, wie in Berlin die Abiturprüfungen stattfinden – und ob überhaupt. Aus der Bildungsverwaltung heißt es am Dienstag, an der Abiturfrage werde „final gearbeitet“, eine Entscheidung soll noch in dieser Woche fallen. Schulleiterin Neukirchen von der GEW begrüßt das: „Eine schnelle Entscheidung ist jetzt wichtig, die Schulen müssen planen können.“ Nach den Winterferien sind es noch sechs Wochen bis zu den ersten Prüfungsterminen.

Ralf Treptow, Vorsitzender der Berliner Vereinigung der Oberstudiendirektoren, hatte in der vergangenen Woche bereits für eine Verschiebung der Abiturprüfungen auf nach den Sommerferien plädiert. Neukichen hält es für sinnvoller, vor den Ferien fertig zu sein, aber zwei bis drei Wochen später zu starten, um Unterrichtsstoff aus dem Lockdown besser nacharbeiten zu können. Zudem könne man darüber nachdenken, den SchülerInnen klarere Vorgaben zu machen, welcher Stoff prüfungsrelevant sein wird.

Der Landesschülerausschuss will sich noch nicht auf eine eindeutige Position festlegen. Pressesprecherin Luisa Regel betonte am Dienstag gegenüber der taz, man wolle „vor allem eine schnelle Entscheidung seitens des Senats, um Klarheit zu haben“. Im vergangenen Jahr hatte der Landesschülerausschuss für ein Durchschnittsabitur geworben – ohne Prüfungen, aus den bisher erbrachten Noten. Das sieht man dieses Jahr aber kritischer, weil der jetzige Abiturjahrgang in zwei Lockdowns unter sehr ungleichen Bedingungen gelernt habe.

Die neugegründete Initiative Bildungsgerechtigkeit 2021, die der letztjährige Landesschülersprecher Miguel Góngora mitgegründet hat, hatte am Montag eine Umfrage unter rund 16.500 Berliner SchülerInnen veröffentlicht. Demnach fühlen sich von den befragten AbiturientInnen knapp 70 Prozent schlecht auf die diesjährigen Prüfungen vorbereitet.

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