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Langsamkeit statt Dieselfahrverbot

Die Deutsche Umwelthilfe und die Stadt Hannover haben sich auf einen Vergleich geeinigt. Damit ist die Klage für saubere Luft vor dem Oberverwaltungsgericht vom Tisch

Von Nadine Conti

Bis zu 55.000 Autos wälzen sich jeden Tag an den Wohnblöcken der Friedrich-Ebert-Straße in Hannover vorbei. Die vierspurige Straße ist eine dieser Einflugschneisen, auf denen sich der Verkehr ins Zentrum quält. Künftig soll er das nur noch mit Tempo 40 tun.

Das gehört zu dem Vergleich, den die Stadt Hannover mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geschlossen hat, um weiter reichenden Dieselfahrverboten zu entgehen. Die drohten in Hannover, weil trotz der Einrichtung der Umweltzone im Jahr 2008 an fünf verschiedenen Messstellen in der Stadt die EU-Grenzwerte für Stickoxide regelmäßig überschritten wurden.

Dagegen hatte die Deutsche Umwelthilfe geklagt – in Hannover genauso wie in mehr als 40 anderen Städten. Die Materie ist allerdings kompliziert und der Rechtsweg lang – das Verwaltungsgericht Hannover hatte das Verfahren ans Oberverwaltungsgericht Lüneburg verwiesen. Drei Jahre gingen darüber ins Land, drei Jahre, in denen sich die dicke Luft auch in Hannovers Straßen um einiges gebessert hat – so sehr, dass zwischenzeitlich immer mal wieder über die Abschaffung der Umweltzone diskutiert wurde.

Selbst die Friedrich-Ebert-Straße liegt nun mit 36 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel knapp unter dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm. „Das könnte sich allerdings ganz schnell wieder ändern, wenn die Coronapandemie überwunden ist und das Verkehrsaufkommen wieder steigt“, sagte Umweltdezernentin Sabine Tegtmeyer-Dette (Grüne) bei der Vorstellung des Kompromisses. Deshalb also nun das Tempolimit. Nach Berechnungen des Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim soll damit eine weitere Reduktion um 1,2 Mikrogramm erzielt werden. Außerdem schreibt der Vergleich eine Reihe von Maßnahmen fest, die ohnehin auf der To-do-Liste der Stadtverwaltung standen: die Ausweitung des Anwohnerparkens beispielsweise, die Reduzierung des Parksuchverkehrs durch ein besseres Leitsystem und eine App, mehr Park-and-ride-Plätze, mehr und bessere Radwege, Förderung des ÖPNV, E-Autos als Dienstwagen. Für den neuen grünen Oberbürgermeister Belit Onay gehört die Verkehrswende ohnehin zu seinen Kernthemen.

Der Rat muss dem Vergleich noch zustimmen, dann will die DUH ihre Klage zurückziehen. Es ist nicht der erste Vergleich dieser Art. Die Zeit der gerichtlich angeordneten Fahrverbote wie 2018 in Stuttgart oder 2019 in Berlin scheint vorbei zu sein.

EU-Luftreinhalterichtlinie

Am 21. Mai 2008 trat die novellierte Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Luftqualität und saubere Luft für Europa in Kraft.

Die Richtlinie legt Grenzwerte für die Schadstoffkonzentration in der Außenluft für Stickstoffdioxid (NO2), Feinstaub (PM10, PM2,5), Schwefeldioxid (SO2), Benzol, Kohlenmonoxid und Blei fest. Darüber hinaus erläutert sie, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn diese überschritten werden.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Klagen können Betroffene und Umweltverbände. Gegen Deutschland sind Vertragsverletzungsverfahren wegen anhaltender Überschreitung der Feinstaubgrenzwerte (PM10) und der Stickstoffdioxid-Grenzwerte (NO2) durch die EU-Kommission eingeleitet worden.

Der geltende Tagesgrenzwert für PM10 von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter darf seit dem 1. Januar 2005 nicht öfter als 35-mal pro Jahr überschritten werden. Seit dem 1. Januar 2010 gilt für NO2 der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel.

Die DUH glaubt trotzdem, dass sie mit ihrem juristischen Sperrfeuer einen wesentlichen Beitrag zur Luftreinhaltung in den Städten geleistet hat: „Von 40 Klagen für saubere Luft hat die DUH bisher in keinem Verfahren verloren“, heißt es triumphierend aus der Zentrale in Berlin.

„Bisher gibt es 26 abgeschlossene Verfahren, davon 14 Vergleiche (plus den am Dienstag verkündeten in Hannover) sowie zehn laufende Verfahren, plus vier laufende Verfahren trotz rechtskräftigem Urteil“, sagt eine Sprecherin auf taz-Anfrage.

Im Sommer hatte die DUH in einer Art Zwischenbilanz außerdem vorgerechnet, dass sich in den von ihr verklagten Städten die Luft stärker verbesserte als in den Städten ohne Klage. Eine eigene Auswertung der vom Umweltbundesamt herausgegebenen Messdaten für 38 Städte hatte zwischen 2018 und 2019 einen doppelt so hohen Rückgang beim gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxid (NO2) gezeigt.

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