Einschränkung der Bewegungsfreiheit: Falsche Daten beim RKI

Ab einer Inzidenz von 200 ist nur noch ein Bewegungsradius von 15 Kilometern erlaubt. Das betrifft mehr Kreise, als das RKI behauptet.

Man sieht den RKI-Chef

Hört nicht auf die Bitten aus Potsdam: RKI-Chef Lothar Wieler Foto: dpa

BERLIN taz | Kein Waldbaden mehr und auch kein Spaziergang um den winterlichen See: Wer in einem Corona-Hotspot lebt, muss sich künftig einschränken. Das gilt nicht nur für die Zahl der Kontakte, die ab Montag noch möglich sind, sondern auch für die Bewegungsfreiheit. In Landkreisen mit einer Inzidenz von über 200 Fällen pro sieben Tage und 100.000 Einwohner darf der Wohnort nicht über einen Radius von 15 Kilometern hinaus verlassen werden, es sei denn, es gibt einen triftigen Grund. Waldbaden und Spaziergänge gehören ausdrücklich nicht dazu. So haben es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs- und -chefinnen der Länder am Dienstag beschlossen.

Wer aber legt fest, welche Inzidenz ein Landkreis hat? Für den Landkreis Oder-Spree in Brandenburg zum Beispiel meldet das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwoch eine 7-Tages-Inzidenz von 134,2. Das Brandenburgische Landesamt für Gesundheit und Verbraucherschutz (LAGV) dagegen meldet für den gleichen Landkreis eine Inzidenz von 229,3. Ginge es nach dem RKI, immerhin die bundesamtliche Referenzinstitution in Sachen Corona, könnten die Menschen aus Beeskow ohne Einschränkungen eine Runde um den Scharmützelsee drehen oder nach Berlin fahren. Hielten sie sich an die Zahlen des LAGV, müssten sie zuhause bleiben.

Grund für die erhebliche Differenz ist offenbar das aufwendige Meldeverfahren des RKI. „Das Gesundheitsamt meldet die aktuellen Fallzahlen täglich über eine Software an das Land Brandenburg“, heißt es auf der Coronaseite des Landkreises Oder-Spree. „Zusätzlich gibt es ein weiteres Programm, das die Daten des Gesundheitsamtes direkt an das RKI übermittelt.“ Dieses Programm erfordere aber eine Vielzahl von Angaben zu jedem Einzelfall. „Aufgrund des hohen Infektionsgeschehens und der damit verbundenen Auslastung der Mitarbeiter durch das Fallmanagement und die Kontaktpersonennachverfolgung wird die umfassende Datenaufbereitung in diesem Programm derzeit nachrangig behandelt“, so der Landkreis.

Bürokratische Hürden durch das RKI

Im Klartext: Die bürokratischen Hürden des RKI sind so hoch, dass das Gesundheitsamt der Kreisstadt Beeskow die Fallzahlen lieber (und weniger aufwendig) an das LAGV, eine nachgeordnete Behörde des Gesundheitsministeriums, meldet. Der Staatskanzlei in Brandenburg ist das Dilemma bekannt. „Die unterschiedlichen Daten des RKI und die Landesdaten führen bei Medien und in der Öffentlichkeit immer wieder zu Irritationen“, weiß Florian Engels, Sprecher von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Zwar habe man das gegenüber dem RKI bereits thematisiert. „Leider konnte dies bis heute nicht geändert werden.“

Die Landesregierung stellt allerdings klar, dass bei den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, die die Kenia-Koalition am Freitag voraussichtlich beschließen wird, nicht die Daten des RKI herangezogen werden. „Für das Handeln von Politik und Verwaltung in Brandenburg sind die täglichen Daten des LAGV entscheidend“, so Regierungssprecher Engels.

Die aber spielen wiederum für die bundesweite Bewertung der Maßnahme keine Rolle. So teilte die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag nach den Bund-Länder-Beratungen mit: Nach aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) überschreiten derzeit 67 Landkreise in Deutschland bei der Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 200.“

In Brandenburg gibt es nach den RKI-Daten nur drei Corona-Hotspots: Dahme-Spreewald, Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz. Nach den Daten des LAGV dagegen kommen Oder-Spree, Spree-Neiße, Ostprignitz-Ruppin sowie die kreisfreien Städte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam hinzu.

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