: „Ich habe gemerkt: Wenn es knallt, dann stehen wir zusammen“
„Ich habe in meinem Leben schon viel lesbenfeindliche Gewalt erlebt. Vergangenen Sommer habe ich auf der Straße vor unserem Verein im Schillerkiez in Neukölln vor laufender Kamera ein Statement zum Thema ‚Queere Menschen in der Coronakrise‘ abgegeben; es war ein schöner Tag, ich war allerbester Laune, es waren viele Leute auf der Straße.
Plötzlich haben sich drei Männer hinter den Kameramann gestellt und sind dann auch durchs Bild gelaufen. Sie haben mich als ‚Scheiß-Lesbe‘ beschimpft und gesagt: ‚Wir machen dich kaputt.‘ Ich habe erst zwar etwas entnervt, aber humorvoll gedacht: ‚Das musste jetzt auch irgendwie sein.‘ Ich dachte, die gehen weiter. Aber als ich weiterreden wollte, hat der Kameramann gesagt: ‚Wir können nicht weitermachen, die drei Männer stehen noch im Bild.‘ Ich habe dann versucht, zu deeskalieren, und erklärt: ‚Ich arbeite hier, geht doch einfach weiter.‘ Aber es hat sich zunehmend hochgeschaukelt, die Beschimpfungen nahmen zu, es gab Gewaltandrohungen, einer der jungen Männer sagte: ‚Ich hau euch gleich kaputt. Die Kamera schmeiße ich hinterher.‘
Da habe ich gemerkt: Mit Goodwill geht das nicht. Ich habe die Polizei gerufen. Die ist dann auch gekommen, aber die Männer waren sich ganz sicher, dass ihnen nichts passiert. Der eine meinte sogar, ich hätte ihn rassistisch beleidigt und solle mich entschuldigen. Dass die sich so im Recht gesehen haben, war für mich der ausschlaggebende Punkt, sie anzuzeigen, zumindest den einen jungen Mann. Am 20. Januar ist die Verhandlung.
Erschreckend war aber auch, dass keine:r der Passant:innen nachgefragt hat oder dazwischengegangen ist. Es standen mehrere Leute in der Nähe. Auch deshalb gehe ich an die Öffentlichkeit: Wir müssen anfangen, darüber zu reden. Ich bin privilegiert, weil ich ein großes und solidarisches queeres Netzwerk habe, das hinter mit steht. Vielleicht hätte ich das sonst nicht so „locker“ genommen. Nachdem ich diesen Vorfall öffentlich gemacht hatte, haben mir viele queere Menschen geschrieben: ‚Mensch, hey, danke, ich hätte mich das nicht getraut, mir ist Ähnliches passiert.‘ Einen Tag nach dem Angriff habe ich Anrufe aus der Politik, von einer Staatsanwältin und dem Senator für Justiz und von vielen, vielen Kolleg:innen bekommen, die mir ihre Hilfe und Unterstützung angeboten haben. Das hat mich sehr gerührt. Da habe ich gemerkt: Wenn es knallt, dann stehen wir zusammen.“ Protokoll: Nicole Opitz
Ina Rosenthal (53), frauen- und geschlechterpolitische Sprecherin des Landesvorstandes Bündnis 90/Grüne und Leiterin des Vereins Rad und Tat (Offene Initiative Lesbischer Frauen in Neukölln)
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