Trumps Deplatforming: Endlich ausgehetzt

Selbst Liberale fürchten, mit dem Aussperren Trumps von den digitalen Plattformen werde in die Meinungsfreiheit eingegriffen. Ist da was dran?

Telefon zeigt gesperrten Trump-Account.

Ding dong – the witcher is gone! Foto: dpa

Auf einmal ist Ruhe. Keine Eilmeldungen mehr, weil Donald Trump auf 280 Zeichen mitteilt, dass er schlecht geschlafen hat. Keine Journalismussimulation im Liveticker mehr mit eingebetteten Tweets der mächtigsten Heulboje der Welt, die ihre Lügen über den Wahlausgang ins Netz rotzt.

Was wäre uns in den vergangenen vier Jahren nicht alles erspart geblieben, wenn das Deplatforming des Präsidenten, die Sperrung seiner Accounts auf praktisch allen sozialen Netzwerken also, schon bei den ersten Übertretungen des guten Geschmacks oder wenigstens bei den wiederholten Verletzungen der Communityregeln der Plattformen erfolgt wäre – und nicht erst kurz bevor die Demokraten mit dem Weißen Haus und beiden Kammern des Kongresses alle Hebel zur Regulierung der Digitalkapitalist*innen in einer Hand vereinen.

Zu klagen, dass hier unzulässig und selbstherrlich in die Meinungsfreiheit eingegriffen würde, geht ein bisschen an der Sache vorbei. Schließlich war es höchste Zeit für die Entfernung des Hetzers und unzähliger Accounts seiner Fanbase aus dem digital dominierten Mainstreamdiskurs. Behalten dürfen sie ihre Meinungen ja. Auch sie zu äußern steht ihnen weitestgehend frei. Und keine Sorge, es bleiben genug misogyne, rassistische und andere Niederträchtigkeiten frei verfügbar, für all jene, die so dringend mit Rechten reden wollen, dass sie schon „Cancel Culture“ rufen, wenn kaum verhüllte Mordaufrufe angeprangert werden.

Natürlich haben die digitalen Plattformen zu viel Macht. Und sie nutzen diese kaum dafür, Diskurse zu zivilisieren. Schließlich sind Erregung und Empörung, vor allem aber der rechtsradikale Hass ihr Geschäftsmodell. Das wissen auch die Anleger*innen. Seit der Sperrung von Trumps Account vor gerade mal zehn Tagen ist der Kurs der Twitter-Aktie um 20 Prozent gefallen. Das moralisch Richtige zu tun ist unternehmerisch ein Minusgeschäft.

Zerschlagung bald!

Es wäre nur angemessen, den Konzernen die Last solchen Zwiespalts abzunehmen. Eine Hilfestellung aus dem nun demokratisch dominierten US-Kongress könnte die zügige und konsequente Durchsetzung der Regeln gegen Kartelle und Monopole sein.

Das dort schwebende Verfahren gegen die Digitalkonzerne muss mit deren Zerschlagung enden. Schon deshalb, damit nie wieder eine Handvoll CEOs allein zwischen Redefreiheit und dem Schutz der Nut­zer*innen in weiten Teilen des Netzes abwägen und Figuren wie Trump so unglaublich lange gewähren lassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Public key: https://pgp.mit.edu/pks/lookup?op=vindex&search=0xC1FF0214F07A5DF4

Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.