Türkei gegen NGOs: Ein plumper Deckmantel
Ankara hat ein Gesetz beschlossen, das NGOs verbieten kann. Selbst Lebensmittelspenden könnten künftig als „Finanzierung von Terroristen“ gelten.
W ährend der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan immer wieder Schaufensterreden über Reformen und Demokratieerneuerung hält und die EU zu einem Neuanfang in den gegenseitigen Beziehungen aufruft, ist seine Regierung in der Praxis dabei, die letzten demokratischen Spielräume in der Türkei zu beseitigen.
Nachdem zunächst das Parlament, die Justiz und die Medien des Landes weitgehend unter die Kontrolle des Präsidenten gebracht wurden, sind nun die vielfach oppositionellen Berufsverbände und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an der Reihe. Im letzten Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Anwaltskammern der Türkei, in denen regierungskritische Juristen den Ton angeben, dadurch bedeutungslos gemacht werden sollen, dass regierungsnahe Konkurrenzorganisationen zugelassen werden.
Die türkische Ärztekammer, die die Regierung während der Pandemie immer wieder massiv kritisiert und auch die offiziellen Zahlen infrage stellt, wurde von Erdoğan bereits in die Nähe von Terroristen gerückt. Prompt forderte sein rechtsradikaler Koalitionspartner das Verbot der Kammer. Jetzt hat das Parlament auf Wunsch des Präsidenten ein Gesetz verabschiedet, mit dem NGOs verboten werden können, wenn eines ihrer Mitglieder verdächtigt wird, Terrororganisationen zu finanzieren.
Das bedroht alle Nichtregierungsorganisationen und besonders solche, die in irgendeiner Weise in den kurdischen Gebieten aktiv sind. Selbst Lebensmittelspenden können da zur „Finanzierung von Terroristen“ mutieren. Die EU sollte sich von den Reden Erdoğans nicht blenden lassen und eine Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verweigern, solange die türkische Regierung jede rechtsstaatliche Haltung ad absurdum führt und ihre Kritiker mit allen Mitteln mundtot macht.
Das betrifft die NGOs, aber auch die politischen Gefangenen, wie den früheren Vorsitzenden der Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtaş, und andere, die selbst nach Aufforderung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs nicht freigelassen werden.
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