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Dicke Luft beim Hilfsverein St. AnsgarAlimaus-Leiterin ist raus

Vor der Hamburger Tagesstätte Alimaus warteten Hilfsbedürftige am Mittwoch vor geschlossenen Türen: Alle Mitarbeiter:innen hatten sich krankgemeldet.

Hilfe unweit der Reeperbahn: die Essensausgabe in der Alimaus läuft wieder Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | „Ich hab’ mir dann zu Hause ’ne Dose aufgemacht“, sagt Olaf und rückt ein Stück vorwärts. Er steht in der Schlange vor der Alimaus am Nobistor. Olaf ist der letzte in der Reihe, vor ihm warten rund 20 Menschen auf ein warmes Essen, das hier in Sichtweite der Reeperbahn überreicht wird. Olaf hat sein Fahrrad dabei, die Jeans ist über die neonfarbenen Turnschuhe gerutscht. „Das war für den einen Tag okay, jetzt gibt es ja wieder was“, sagt er. Rund 300 Menschen versorgt die Tagesstätte Alimaus täglich mit Kaffee, warmem Essen oder Schlafsäcken. Heute gibt es Gänse­keulen. Doch am Mittwoch hatte die Alimaus zu – und Olaf musste zu Hause essen.

Der Grund der Schließung ist schnell erzählt: Alle Mitarbeiter:innen hatten sich krankgemeldet; die Ehrenamtlichen waren nicht erschienen. Doch die Situation scheint komplizierter zu sein. „Am Mittwoch sind alle Dämme gebrochen“, sagt Andreas Fecht. Er arbeitet als Koch in der Alimaus. „Das war kein Protest, wir können einfach nicht mehr“, sagt Fecht am Telefon.

Kurz vor Weihnachten wurde der Leiterin der Alimaus, Christiane Hartkopf, mitgeteilt, dass ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert würde. Dies habe der katholische Träger St. Ansgar so entschieden. Hartkopfs Stelle läuft im Februar aus. Bislang arbeitete sie mit Einjahresverträgen – nun hätte sie Anspruch auf eine unbefristete Anstellung gehabt. Warum sie die Alimaus verlassen soll, wurde ihr nicht mitgeteilt, sagt Hartkopf. „Die Mitglieder von St. Ansgar leben in ihrer eigenen Welt, mit uns Mitarbeitern hat nie jemand gesprochen.“

Hartkopf vermutetet, dass ihr Vertrag auch deshalb nicht verlängert worden sei, weil sie nicht in der Kirche ist. „Das war ich auch nie. Aber anscheinend sind ich und meine Arbeit nicht mehr christlich genug“, sagt sie. Als katholischer Verein wolle St. Ansgar sich neu positionieren. Eine Übernahme des Vereins durch die Malteser stand im Raum, werde aber nicht umgesetzt, erzählt Hartkopf.

Anscheinend sind ich und meine Arbeit nicht mehr christlich genug

Christiane Hartkopf, Alimaus

Bei den Mitarbeiter:innen ist Hartkopf beliebt. „Ich bin wegen ihr zur Alimaus gekommen“, sagt Koch Andreas Fecht. Sowohl Mitarbeiter:innen als auch ehrenamtliche Helfer:innen hätten den Träger St. Ansgar mit Mails überflutet, um Hartkopf in der Alimaus zu behalten. Eine Antwort hätten sie bis heute nicht erhalten.

Auch Kai Greve hebt die Arbeit von Hartkopf hervor. Der Anwalt war bis zu dieser Woche Vorstandsmitglied von St. Ansgar. „Sie ist sehr engagiert. Den Kältebus hat sie innerhalb von wenigen Tagen auf die Beine gestellt. Die Unterbringung von Obdachlosen in Hotels hat sie mitorganisiert.“ Dass Greve bei den Vorstandswahlen am Dienstag nicht erneut kandidierte, habe auch an dem Umgang mit Christiane Hartkopf gelegen. Er sei darüber „massiv enttäuscht“ gewesen, sagt Greve.

Der neue Vorstandsvorsitzende von St. Ansgar heißt Kuno Kohn. Der Priester wurde am Dienstag gewählt; Mittwochmorgen um 9 Uhr stand auch er vor den geschlossenen Türen der Alimaus. „Der Koch ist krankgeschrieben, zwei Mitarbeiterinnen haben sich kurz vorher abgemeldet, die Ehrenamtlichen haben gesagt, dass sie nicht kommen“, sagt Kohn, während er am Donnerstag durch die Küche der Alimaus führt. „Das ist Johannes, unser Logistikchef; der hat gestern geheiratet, seine Frau macht heute die Essensausgabe“, sagt er gut gelaunt.

Über Hartkopf und die Klagen der Mitarbeiter:innen spricht Kohn zögernd. Das sei ein sensibles Thema. „Wir haben uns gefragt, wie es bei St. Ansgar grundsätzlich weitergeht. Können wir Alimaus, Gesundheitsmobil und Kältebus noch stemmen?“ Dieser Prozess habe viel Zeit in Anspruch genommen. Auch deshalb habe man Hartkopf im Dezember keine Verlängerung des Vertrages anbieten können. Man habe sich entschieden, ihre Stelle mit einer Ordensschwester der Dominikaner zu besetzen. Diese werde wohl am 1. März beginnen. „Das ist eine Vollzeitstelle“, sagt Kohn.

Es habe sie nie jemand gefragt, ob sie sich eine volle Stelle vorstellen könne, erzählt Christiane Hartkopf. Ihr auslaufender Vertrag enthält eine Arbeitszeit von 25 Stunden. De facto habe sie aber in Vollzeit gearbeitet: „Ich war immer abrufbar. Das war mein ehrenamtlicher Input. Meine Überstunden habe ich nie erfasst“, sagt sie.

Nun geht es in der Alimaus ohne sie weiter. Christiane Hartkopf ist krankgeschrieben.

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