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Demo von Verschwörungsanhänger:innen„Achtung, liebe taz“

In Berlin protestieren selbsternannte Querdenker gegen die Medien. Sie fabulieren von „Manipulation“ und bedrohen Journalist:innen.

Selbsternannte Querdenker demonstrieren am Mittwoch gegen die Medien Foto: Florian Boillot

Berlin taz | „Ich weiß zwar nicht von welcher Zeitung Sie sind, aber wollen Sie dazu was sagen?“, fragt der „Querdenker“, gekleidet in einem gelben Superheldenoutfit, nach einem kurzen Monolog über die angeblich manipulierte Presse. Holger Friedrich schüttelt mit dem Kopf. Der Eigentümer der Berliner Zeitung nimmt eine Handvoll Zettel entgegen und verschwindet wieder im Redaktionsgebäude. „Berichte fair!“, brüllen ihm Einzelne hinterher.

Mit einem „Medienmarsch“ haben rund 150 selbsternannte Querdenker der verhassten Medienlandschaft in Berlin einen Besuch abgestattet – vom ZDF und der ARD über die taz und den Tagesspiegel bis zum Axel Springer Verlag, dem Spiegel und der Berliner Zeitung.

Umhüllt von Weihrauchgeruch und Weihnachtsmusik forderten die Verschwörungsideolog:innen eine „faire Berichterstattung“ über ihre Proteste und witterten eine „Manipulation“ der Berichterstattung über die Coronapandemie. „Die Medien“ würden alle gleichermaßen unkritisch über die Pandemie berichten und damit nicht nur „Hofberichterstattung für die Regierung und die Superreichen“ machen, sondern vielmehr zum „Handlanger des Faschismus“.

„Wir sind keine Coronaleugner“, sagt die Demonstrationsanmelderin Monica F. Schließlich leugne sie nicht die Existenz des Virus – dieses sei jedoch schlicht ungefährlich. Medienberichte über die Proteste, auch in der taz, seien durchweg falsch, rechtsextrem seien die Demos nicht. Unter hunderttausenden von Demonstrant*innen könnten schließlich auch mal eine Hand voll Neonazis sein, das könne man nicht verhindern. Mit „Reichsbürgern“ habe man ebensowenig zu tun – jedoch beklagen Demonstrant*innen am Mittwoch nicht nur einen vermeintlich fehlenden Friedensvertrag, ein zentrales Argumentationsmuster der „Reichsbürger“, sondern bedienen auch das antisemitische Bild eines „Schuldkults“.

Es wird weitergeräuchert

Die Demonstrationen sogenannter „Querdenken“-Initiativen finden seit Monaten in ganz Deutschland statt, oft mehrfach in der Woche, und zeichnen sich durch eine kuriose Mischung der Teilnehmenden aus. Von Impfgegner:innen über Friedensbewegte bis hin zu Neonazis versammeln sich, regelmäßig in großer Anzahl auch in Berlin. Diese Mischung zeigte sich auch beim „Medienmarsch“, wobei ein eher friedensbewegtes, sich als links verstehendes Publikum zu dominieren schien.

Querdenker vor dem Redaktionsgebäude der taz Foto: JeanMW/imago

Auf der Demonstration dominiert das Bild einer verschlossenen Medienwelt, in der lediglich die Meinung der Regierung nachgeschrieben würde. „Lassen sie ihre Redakteure frei recherchieren“, ruft F. etwa vor dem Axel Springer Verlag. Und: „Verhindern sie die Impfungen, denn sie können das!“

Vor dem Gebäude der Funke-Mediengruppe auf der Berliner Friedrichstraße spricht die Anmelderin Monica F. von dem Journalisten Daniel Funke, dem Ehemann von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. F. deutet an, dass Daniel Funke ein „Abkömmling“ der Funke-Familie sei, und damit eng mit der Funke-Mediengruppe verbunden. Dran ist an dieser Verschwörungstheorie nichts, hinter den gleichen Namen steckt bloßer Zufall.

Der Chefredakteur der Funke-Zentralredaktion in Berlin, Jörg Quoos, widerspricht im Gespräch mit den „Querdenkern“ dann auch noch vor Ort der aufgestellten Behauptung. Der „Querdenken“-Superheld gibt derweil auf der Bühne den Widerspruch von Quoos weiter und beteuert immerhin, hierzu nochmal gründlich recherchieren zu wollen.

Vor der taz werden mit einem „Achtung, liebe taz“ Auszüge des Pressekodex des Deutschen Presserats verlesen, eine Auflistungen von ethischen Richtlinien in der Berichterstattung, der sich alle großen Medien in ihrer Berichterstattung verpflichtet fühlen – dazu gibt es wütende „Lügenpresse“-Rufe mehrerer Demonstrant*innen. Eine Frau mit Megaphon bedroht währenddessen einzelne Journalisten.

Mehrfache Nachfragen, wer die Berichterstattung in den Medien denn manipuliere, führen unter den Teilnehmenden zu keiner klaren Antwort. „Na, das wüsste ich ja auch gerne“, antwortet F. nur. Das bloße Gerücht reicht offensichtlich.

Am Sonntag soll es dann weitergehen mit dem Protest gegen die Medien. Vor dem Gebäude des Axel Springer Verlags möchte eine Gruppe von „Querdenkern“ vier Stunden lang „räuchern“ – mutmaßlich mit Räucherstäbchen und Weihrauch.

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9 Kommentare

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  • Nun ist eine Gleichförmigkeit in der Berichterstattung zur Covid19-Krise im Frühjahr und Sommer dieses Jahres nicht von der Hand zu weisen. Aber inzwischen ist ja wieder Leben in die Debatte eingekehrt. Leider ist der Kampfbegriff "Coronaleugner" immer noch schnell zur Hand. Dieser Bericht hier zeigt, dass es doch anders geht.

    Für mich beängstigend ist, dass es die viel beschworene "Querfront" nun wirklich gibt. Die Historiker werden es eines Tages herausklamüsern, ob und wie sehr die Berichterstattung über die "Coronaleugnerdemos" ihren Anteil daran hatte oder nicht. Der wildgewordenen Exekutive hat es m.E. in die Hände gespielt, dass man damit alle Kritik in die Ecke von Idiotie und Verantwortungslosigkeit stellen konnte.

    Mit der Querfront jetzt hilft m.E. nur offener Austausch aller Argumente – vorführen, dass es eine offene Debatte gibt. Das Gerede von Alternativlosigkeit ist der Tod der Demokratie. Und wenn das Totschlagargument kommt, dass man mit "Covidioten" nicht diskutieren kann, empfiehlt es sich auf die Lehren aus „Mit Nazis reden“ zurückzugreifen.

  • Wie und in welcher Form darf ich mir die Bedrohungen vorstellen? "Eine Frau mit Megaphon bedroht währenddessen einzelne Journalisten."

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Warum macht man so viel Geschiss um eine Demo mit 150 Teilnehmern? Auch ein schlechter Ruf ist besser als keiner.

  • Wenn sich Dummheit mit Frust paart, wird's gefährlich. Menschen, die von der Komplexität der Welt überfordert sind, flüchten sich in abstruse Erklärungsmuster, und dann dient halt der Glaube an irgendwelche finsteren Strippenzieher (Angela Merkel, Bill Gates, George Soros), die die Presse manipulieren, als bequeme monokausale Erklärung. Fraglich, wie man diesen gefühlt Benachteiligten begegnen soll. Ihre "Sorgen und Ängste ernst zu nehmen" fällt schwer, verweigern sie doch meistens selber jeden Dialog und sind Argumenten oder einem zivilisierten Dialog häufig nicht mehr zugänglich.

    • @Mexican Cat:

      Es geht um genau solche Vorurteile: Jede*r der da mitläuft glaubt den Schmarrn von den finsteren Strippenziehern? Wahrscheinlich genauso oft wie jeder Tazleser glaubt, dass Bullen Schweine sind. Jede*r, der keine Maske tragen kann ist ein Nazi? Wusste gar nicht, dass aus Krankheiten eine rechtsradikale Gesinnung entsteht. Jede*r, der seine Existenz verliert und nachfragt, ob diese ganzen Maßnahmen überhaupt das gewünschte Ergebnis liefern können, ist ein Antisemit, Corona-Leugner, Covidiot? Äh, sorry, da komme ich nicht mehr mit mit dieser Logik.



      Und seltsam, diese Art Vorurteile kenne ich gut, nur damals war ich linker Chaot und wurde vom Osten bezahlt und die Zeitungen, die das verbreitet haben hießen Bild oder Morgenpost.



      Auf die Antiatomkraftdemos hätte man auch nicht gehen dürfen, weil da laufen Unterstützer terroristischer Vereinigungen und Steineschmeißer und Gewalttäter mit.



      Ist kritisches Hinterfragen Verweigerung eines zivilisierten Dialogs?



      OK - reden wir. Denn auch wenn das keiner glauben mag, in einem sind wir uns sehr gleich: Nie wieder Faschismus. Darum gehen wir auf die Strasse - und das nicht ernst zu nehmen - nun ja, hatten wir schon mal. Lass uns die Gemeinsamkeiten finden, miteinander reden und diese nun wirklich dämliche Ausgrenzerei und Spalterei beenden. Letztlich wollen wir genau dasselbe und über den Weg kann man reden.

      • @Karin Berlin:

        im Prinzip bin ich Deiner Meinung nur was ist denn mit den tatsächlich "mitstreitenden" Nazis? Schliesslich sind die wirklich dabei bzw. hängen sich an die Demos dran . Wie geht man damit denn "vernünftig" um?

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    • @flip flop:

      Da empfehle ich ihnen mal die Videos des Jüdischen Forums.

      jfda.de/

      So gut wie in jedem Film sieht man, wie Journalistinnen und Journalisten beschimpft, bedrängt oder körperlich angegriffen werden.

      Dann können Sie sich ihr eigenes Urteil bilden, wenn Sie bisher der Meinung gewesen sein sollten, diese Irren wären auch nur annähernd demokratisch, vernünftig oder gesprächsbereit.

      Deren Leitmotiv in der Kommunikation mit Medienschaffenden beschränkt sich in der Regel auf das Geblöke von "Lügenpresse".

  • Gebt denen einfach keine Stimme/ Plattform mehr - dann verstummen die ganz von selbst!