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Bauern lassen nicht locker

Die Ergebnisse der bisherigen Gespräche mit Aldi, Lidl, Rewe und Edeka über faire Handelsbeziehungen reichen den Landwirten nicht. Vor allem Schweinezüchter und Milchbauern sind verzweifelt. Am Dienstag blockierten sie mehrere Aldi-Lager – mit kleinem Erfolg

Von Nadine Conti

Dieses Mal war also Aldi dran: In der Nacht vom Montag auf Dienstag blockierten Bauern die Zen­trallager des Discounters in Lingen (Kreis Emsland), in Seevetal (Kreis Harburg), Hesel (Landkreis Leer), Beverstedt (Kreis Cuxhaven), in Weyhe (Kreis Diepholz), Hedemünden (Kreis Göttingen), Lehrte (Region Hannover) und Rinteln (Kreis Schaumburg).

Von rund 800 Schleppern sprach der Sprecher der Bewegung „Land schafft Verbindung“, Anthony Lee, gegenüber der dpa. Viele Bauern seien auch mit ihren Autos zu den Protesten gekommen. Erst am Dienstagvormittag zogen die letzten Landwirte wieder ab – nachdem Aldi ein Gespräch für Freitag zugesagt hatte.

Vorausgegangen war diesem jüngsten Protest ein sogenannter Branchengipfel bei Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Sie hatte sich am Montag mit Vertretern der niedersächsischen Molkereien, des Handels (mit Lidl, Aldi Nord, Edeka und Rewe, die zusammen 85 Prozent des deutschen Lebensmittelhandels beherrschen), der landwirtschaftspolitischen Verbände und einem Markt­experten der Landwirtschaftskammer zusammengeschaltet.

Die Videokonferenz wurde von verschiedenen Teilnehmern als „konstruktiv“ und „geprägt vom Willen zum Dialog“ beschrieben – blieb jedoch inhaltlich völlig ohne Ergebnis. In vier Wochen will man erneut zusammen kommen, um konkrete Lösungsvorschläge zu diskutieren.

Schon in der vergangenen Woche hatten die Bauern in Niedersachsen Zentrallager des größten Aldi-Konkurrenten Lidl blockiert, daraufhin war das Gespräch im Ministerium anberaumt worden. In Niederbayern und Unterfranken protestierten außerdem Bauern vor Edeka-Lagern.

Vor allem die Schweinehalter und Milchbauern sehen sich durch das Geschäftsgebaren der Lebensmittelhändler extrem unter Druck gesetzt. Sie werfen dem Handel vor, seine Marktmacht zu missbrauchen und die Preise ins Bodenlose zu drücken. Was vor allem Niedersachsens Schweinebauern besonders erbost, ist der Eindruck, der Handel bereichere sich auf ihre Kosten.

Denn die Fleischpreise sind nicht nur durch Corona unter Druck geraten: Die Absatzeinbrüche in der Gastronomie und der Rückstau aufgrund der Schließung einzelner Schlachthöfe, nachdem dort Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden waren, trafen auf einen Markt, der aufgrund der Exportverbote nach dem Auftreten der Schweinepest ohnehin schon angespannt war. Das Ergebnis: Die Erzeugerpreise fallen und fallen. Im Supermarkt macht sich dies für den Verbraucher allerdings kaum bemerkbar. Wer streicht also die Differenz ein?

Der NDR zitiert einen Schweinebauern aus dem niedersächsischen Schapen, der am Dienstag bei der Blockade in Lingen dabei war, so: Der Preis für Schweinefleisch sei seit Anfang des Jahres von 2 Euro pro Kilogramm für den Erzeuger auf jetzt 1,19 Euro gefallen. Gleichzeitig sei der Kilopreis im Geschäft gestiegen, was größere Margen für Schlachtereien und den Einzelhandel bedeutet.

Der Handel, der sonst gern mit dem Finger auf die großen Erzeugergemeinschaften, Schlachthöfe und Molkereien zeigt, gibt sich neuerdings immerhin gesprächsbereit. Schon am Wochenende hatte sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eingeschaltet. Aldi Nord und Aldi Süd verpflichteten sich ihr gegenüber zur Einhaltung aller Vorgaben der EU-Richtlinie „gegen unfaire Handelspraktiken“ und erklärten, man wolle an einem Aktionsplan für ein „Fair­Trade für die heimische Landwirtschaft“ mitwirken.

Hauptkonkurrent Lidl – also eigentlich die Schwarz-Gruppe, zu der auch noch Kaufland gehört – kündigte nach dem Krisengipfel auf Bundesebene eine 50-Millionen-Euro schwere Finanzspritze für die Initiative Tierwohl an. Damit sollen einerseits die Umsatzeinbrüche der Viehhalter aufgefangen werden und gleichzeitig höhere Qualitätsstandards gefördert werden.

Die Erzeugerpreise fallen und fallen. Im Supermarkt macht sich dies für den Verbraucher allerdings kaum bemerkbar. Wer streicht also die Differenz ein?

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, bezeichnete das Angebot allerdings umgehend als „Trostpflaster“, das bei weitem nicht ausreiche, um die grundsätzlichen Probleme zu lösen.

Der Bauernverband fordert stattdessen einen Ausstieg aus der „Dauerniedrigpreiskultur“. Höhere Qualitätsstandards müssten sich auch in der Bezahlung niederschlagen, die heimische Landwirtschaft in der Einkaufspolitik bevorzugt gefördert werden. Von der Politik erwarte man vor allem Änderungen im Kartellrecht, damit Landwirte und ihre Vermarkter endlich ein wirksames Gegengewicht zum Handel bilden könnten. Ausnahmen für die Landwirtschaft gibt es da zwar bereits – nach Ansicht des Bauernverbandes reichen diese aber nicht aus.

Noch im Laufe dieser Woche soll es nun weitere Gespräche mit den Landwirten geben, teilte ein Sprecher von Aldi Nord am Dienstag mit. Unter anderem sei für Freitag ein Austausch mit Vertretern von „Land schafft Verbindung“, Handelsunternehmen und dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels angesetzt. „Die Gespräche werden wir persönlich und gemeinsam mit Vertretern von Aldi Süd führen“, hieß es.

Im niedersächsischen Landtag haben die Grünen das Thema noch einmal auf die Tagesordnung setzen lassen. Am Donnerstag wird es eine aktuelle Stunde geben, Titel: „Bauernproteste für faire Preise – Wertschätzung und Wertschöpfung statt Dumpingpreise“.

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