Grünen-Außenpolitiker zum Iranabkommen: „Wir sollten nicht bloß abwarten“

Nach der Abwahl Donald Trumps könnte das Atomabkommen eine zweite Chance bekommen. Reinhard Bütikofer sagt: Europa sollte einen neuen Anlauf starten.

Menschen machen ein SElfie vor einer Menschenmenge auf einer nächtlichen Straße in Teheran

Im jahr 2015 in Teheran: Feier zum Abschluss des Atomabkommens Foto: Ahmad Halabisaz/imago

taz: Herr Bütikofer, unter Donald Trump sind die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA) ausgestiegen. Werden sie unter Joe Biden wieder einsteigen?

Reinhard Bütikofer: Biden hat im Wahlkampf gesagt, er wolle die USA wieder in dieses Abkommen zurückführen, wenn der Iran demonstriere, dass er sich wieder strikt daran halte. Er hat allerdings hinzugefügt, dass das nur der Ausgangspunkt sein solle für Folgeverhandlungen. Mit einer schlichten Rückkehr zum JCPOA ist Biden nicht einverstanden. Ob er aber überhaupt in die Lage kommt, sich in die Richtung zu bewegen, steht meines Erachtens überhaupt noch nicht fest. Er muss mit erheblichem Widerstand im Senat rechnen und zwar nicht nur von den Republikanern. Deswegen wird er sehr vorsichtig agieren.

Die USA sind das eine, Iran das andere. Welches Interesse sollte Teheran daran haben, sich wieder an das Abkommen zu halten?

Der Iran ist genauso wenig monolithisch wie die USA. Die Hardliner hatten nie ein großes Interesse an diesem Abkommen. Denen hat Trump ins Blatt gespielt mit seiner Konfrontationsstrategie. Die eher moderaten Kräfte um Präsident Rohani, deren Rückhalt in der Bevölkerung seit dem Streit über das Abkommen deutlich gesunken ist, hätten aber wohl ein Interesse. Im Juni soll es Präsidentschaftswahlen geben. Derzeit sieht es so aus, als könnten die Moderaten sehr schlecht mobilisieren. Wenn sie aber Hoffnung darauf wecken könnten, dass auf diesem Weg die schwer auf dem Iran lastenden ökonomischen Sanktionen gelockert werden, könnte es ihnen im Wahlkampf helfen.

Bis Juni bleibt nicht viel Zeit.

Allerdings. Das ist extrem knapp. Und die Hürden sind außerordentlich hoch.

Was können EU und Bundesregierung in dieser Situation beitragen?

Reinhard Bütikofer, 67, ist Ex-Vorsitzender der Grünen in Deutschland und Europa. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des EU-Parlaments.

Die EU, die Bundesregierung, die Briten und die Franzosen spielten ja die ganze Zeit beim JCPOA eine aktive Rolle. Ohne die Europäer hätte es dieses Abkommen nie gegeben. Der Vorschlag kam ursprünglich von Joschka Fischer. Zuletzt haben wir Europäer im UN-Sicherheitsrat sehr deutlich Position bezogen gegen die Konfrontationsstrategie von Herrn Trump. Aber die letzten zwei Jahre haben auch gezeigt: Wenn Washington nicht konstruktiv agiert, kann Europa das JCPOA nicht retten.

Stichwort Instex? Mithilfe dieser Tauschbörse wollten die Europäer trotz US-Sanktionen den Handel mit dem Iran aufrechterhalten.

Instex ist leider ein Trauerspiel. Bislang wurde darüber nur ein einziges Geschäft durchgezogen. Wenn wir Europäer dem Iran signalisieren wollen, dass wir ernsthaft an der Entwicklung der ökonomischen Beziehungen interessiert sind, dann müssen wir mehr tun. Zugleich sollten wir dem Iran aber deutlich machen, dass es auch uns nicht reicht, nur zum Atomabkommen zurückzukehren. Daneben müssen wir auch über andere Dinge reden, zum Beispiel über die destabilisierende Rolle des Iran in der Region und über die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung.

Das entspricht Joe Bidens Forderungen aus dem Wahlkampf. Außenminister Heiko Maas hat sich zuletzt ähnlich geäußert. Aber hieß es früher nicht immer: Die Verhandlungen zum JCPOA waren 2015 erfolgreich, weil das Atomprogramm eben nicht mit anderen Themen vermischt wurde?

Schon. Ich meine auch nicht, dass man jetzt alle Fragen zur iranischen Politik in das JCPOA reinverhandeln soll. Aber man kann auch nicht einfach alle anderen Punkte links liegenlassen. Wir Europäer sollten übrigens jetzt eine eigene Initiative ergreifen und nicht bloß abwarten, was Biden tut. Wir sollten gegenüber dem Iran und seinen Nachbarn für ein neues Ziel werben: eine regionale Konferenz über Frieden und Stabilität in der Region. In einem solchen Rahmen könnte man auch ein erneuertes JCPOA sicher verankern.

Wenn man das Thema ausweitet, werden Erfolge bis zu den Wahlen in Iran noch unwahrscheinlicher.

Ich glaube natürlich nicht, dass man das bis zum Juni alles hinkriegt. Die Frage ist, welche Dynamik wir bis dahin haben und welche Signale wir dafür jetzt senden.

Es gibt unter den Europäern auch Überlegungen, erst mal das JCPOA zurück auf die Schiene zu bringen und erst danach über andere Themen zu verhandeln. Wäre das kein sinnvoller Weg?

Wenn ich die amerikanische Politik richtig verstehe, dann wäre eine solche Reihenfolge nicht aussichtsreich. Die Kritik am JCPOA war dort immer, dass es die übrigen Fragen – nach ballistischen Raketen mit Reichweite bis Israel, nach der Destabilisierung in der Region, nach der brutalen Unterdrückung im Inneren – ausklammert. Wenn wir keinen Weg finden, wie wir JCPOA erneuern, ohne die anderen Themen zu lassen, kriegen wir die USA nicht ins Boot für eine Rückkehr zum ­JCPOA.

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