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Ohne jede Substanz

Zwei Wochen nach der US-Wahlentscheidung versucht Donald Trump weiter, das Ergebnis zu drehen. Die Vorwürfe seiner Anwälte werden immer schriller

Von Bernd Pickert

Zwei Wochen nachdem alle großen US-Medien aufgrund der vorliegenden Auszählungsergebnisse aus den Bundesstaaten Donald Trumps demokratischen Herausforderer Joe Biden zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt haben, kämpft Donald Trump immer noch darum, die Wahl zu seinen Gunsten auslegen zu lassen. Dabei verlagert sich der Schwerpunkt von der juristischen auf die politische Ebene, nachdem von insgesamt 32 von seinen Anwälten angestrengten Beschwerden und Gerichtsverfahren gegen den mutmaßlichen „Wahlbetrug“ 31 erfolglos blieben und das eine Verfahren, in dem Trumps Team Recht bekam, keinerlei Einfluss auf den Wahlausgang hat.

Bei einer Pressekonferenz in den Räumen des republikanischen Parteivorstands in Washington wiederholte Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani am Donnerstag einfach sämtliche Vorwürfe, die von Gerichten längst abgelehnt worden waren. „Ich denke, es ist eine logische Schlussfolgerung, dass es einen gemeinsamen Plan gab, der direkt von der Demokratischen Partei und ihrem Kandidaten ausging“, sagte Giuliani, wiederum ohne Vorlage irgendwelcher Beweise.

Anwältin Sidney Powell ging noch weiter: „Womit wir es hier wirklich zu tun haben, ist ein massiver Einfluss kommunistischen Geldes über Venezuela, Kuba und vermutlich China für die Einmischung in unsere Wahl.“ Der 2013 verstorbene venezolanische Präsident Hugo Chávez habe Hintertüren in die Software einbauen lassen, die bei der Auszählung der Stimmen verwendet worden seien, sagte sie.

Der von Trump Anfang der Woche entlassene Chef der Cybersecurity-Abteilung des Heimatschutzministeriums twitterte, diese Pressekonferenz seien wohl „die gefährlichsten 1:45 Stunden TV in der Geschichte Amerikas“ gewesen – „und vermutlich die verrücktesten“.

Angesichts des nunmehr aussichtslosen Versuchs, den Wahlausgang juristisch durch die Disqualifizierung abgegebener Stimmen zu seinen Gunsten zu drehen, geht Trump jetzt einen anderen Weg: Unverhohlen ruft er dazu auf, dass in jenen Bundesstaaten, die er an Biden verloren hat, deren Parlamente aber von einer republikanischen Mehrheit kontrolliert werden, die Bestätigung der Wahlergebnisse verweigert werden solle. Das Parlament solle dann entgegen der eigentlichen Stimmenmehrheit Trump-Leute ins Electoral College senden.

„Massiver Einfluss kommu­nistischen Geldes“

Sidney Powell, Trumps Anwältin, über Einmischung in die US-Wahl

Abgesehen von den rechtlichen Hürden, die solch ein Verfahren mehr als unwahrscheinlich machen, kamen aus Michigan und Pennsylvania bereits klare Absagen an solch ein Vorgehen.

Bei der republikanischen Wäh­ler*in­nenschaft allerdings verfängt die andauernde Wiederholung der Betrugsvorwürfe: Rund drei Viertel aller Trump-Wähler*innen sind laut Umfragen davon überzeugt, Trump habe die Wahl in Wirklichkeit gewonnen und werde durch Betrug um den Sieg gebracht. Für Republikaner*innen ist das ein Dilemma: Zahlreiche US-Medien berichten, dass viele Funk­tions­trä­ger*in­nen sich wünschen, Trump möge endlich verstehen, dass er verloren habe. Das aber auch öffentlich zu sagen, könnte sie ihre Karriere kosten.

Die Demokrat*innen verlangen unterdessen immer schärfer, die Regierung Trumps möge endlich das Übergabeprozedere einleiten. Jeder Tag, an dem Bidens Übergangsteam keinen Zugang zu Ministerien und Informationen erhielte, erschwere es, die dringend zu lösenden Aufgaben zu bewältigen, schrieben mehrere demokratische Abgeordnete an die Chefin der eigentlich mit der Übergabe betrauten Behörde.

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