Geplantes Gesetz in Dänemark: Gottes Wort nur noch auf dänisch
Die Regierung in Kopenhagen will, dass Predigten in dänischer Sprache verpflichtend sind. Das dürfte der deutschen Minderheit Probleme bereiten
Das Gesetzesvorhaben schreckt auch die deutsche Minderheit in Dänemark auf. Im dänischen Nordschleswig (Sønderjylland) leben etwa 15.000 Menschen, die sich zu dieser Gruppe zählen. „Ich mache mir Sorgen um unsere kleine Minderheit,“ sagt Christa Hansen, deutsche Pastorin der allgemeinen dänischen Volkskirche in Hadersleben (Haderslev) der taz. „Warum muss man gleich in die Kultur traditioneller und zugewanderter Minderheiten eingreifen?“ fragt auch Cornelia Simon, Pastorin in Gravenstein (Gråsten).
Im dänischen Nordschleswig kann die deutsche Minderheit Gottesdienste auf Deutsch in zwei Typen von Kirchengemeinden hören. In der freikirchlichen Nordschleswigschen Kirchengemeinde, die die Minderheitsdeutschen selbst betreiben, und wo die Gottesdienste nur auf Deutsch stattfindet, oder in der allgemeinen dänischen Volkskirche in Hadersleben, Tondern (Tønder), Apenrade (Åbenrå) und Sonderburg (Sønderborg). Letztere leitet der dänische Staat, dort müssen die Gottesdienste sowohl auf Dänisch wie auf Deutsch stattfinden.
Heutzutage dürfen in Dänemark eigentlich Predigten aller Art in jeder gewünschten Sprache stattfinden. Dänemark hat aber ein Problem mit einreisenden muslimischen Predigern, die sich auf Arabisch kritisch gegen demokratische Werte äußern. Zudem wurde neulich enthüllt, wie einige dänische Imame Frauen gezwungen haben, Ehescheidungen zu unterschreiben, die zum Beispiel vorschreiben, dass eine Frau das Recht auf ihre eigenen Kinder verliert, wenn sie einen neuen Mann heiraten würde. Dies wolle die Regierung verhindern, gibt sie an. Es ist aber auch eine Taktik, die Wähler für sich einzunehmen: In Dänemark halten viele eine harte Integrationspolitik für richtig.
Geht eine 100-jährige Tradition verloren?
Mit dem Vorschlag könnte die dänische Regierung aber auch riskieren, eine 100-jährige Tradition zunichte zu machen. Das Recht auf Gottes Wort in Deutsch ist nach der Volksabstimmung 1920 über die Grenzziehung zwischen Deutschland und Dänemark entstanden. Nach der Abstimmung wohnten plötzlich etwa 30.000 Deutsche in Dänemark. Seitdem haben sie starke Sonderrechte, die keine andere Minderheit im Land hat. Rechte, die 1955 mit den Bonn-Kopenhagen-Erklärungen kodifiziert und erweitert wurden.
Die deutsche Minderheit hofft nun, dass ihr dieser Sonderstatus bei dem neuen Gesetz helfen wird. Laut Regierung sollen die Predigten zukünftig in dänischer Sprache „zugänglich“ sein. Was damit genau gemeint ist, wird nicht völlig klar – „Simultanübersetzung“ oder „nachfolgende schriftliche Übersetzung“ sind zumindest als Möglichkeiten erwähnt.
Ohne eine Ausnahmeregelung für die deutsche Minderheit könnten ihre traditionellen Gottesdienste bald nicht mehr stattfinden, fürchtet Gerd Lorenzen, Geschäftsführer des Kirchenbüros der Nordschleswigschen Gemeinde. „Für viele unserer Priester ist Dänisch nicht die Muttersprache. Für sie wäre es kaum zu bewältigen, ihre Predigten zu übersetzen. Und einfach Übersetzer anzuheuern, könnte sich unsere kleine Gemeinde gar nicht leisten,“ sagt er am Telefon. Sein Kollege Matthias Alpen, Pastor in Lügumkloster (Løgumkloster), weist auf „die besonderen Verhältnisse und Beziehungen im deutsch-dänischen Grenzgebiet“ hin.
Sonderrechte in religiösen Fragen sind eine heikle Sache. Es wäre verfassungswidrig, eine ganze Kirchengemeinde oder nationale Minderheit von der Regel auszunehmen, sagt Frederik Waage, dänischer Verfassungsexperte und Professor für Rechtswissenschaft der Süddänischen Universität. Und das gelte eben auch für alteingesessene Minderheiten wie die deutsche.
Kirchensprecherin der Sozialdemokraten wehrt Kritik ab
Die Regierung will den konkreten Gesetzesvorschlag erst Anfang des nächsten Jahres im Parlament einbringen, ihre Absicht hat sie aber bereits im Programm des neuen Parlamentsjahres bekundet. Dabei wird die besondere Situation der deutschen Minderheit mit keinem Wort erwähnt. Die Kirchensprecherin der dänischen Sozialdemokraten, Julie Skovsby, wehrt in einem Interview die Kritik ab. „Auch alte dänische Minoritäten verwenden Dänisch im Alltag“, sagte sie der Onlinezeitung „Altinget“.
Der politische Sprecher der Sozialdemokraten, Christian Rabjerg Madsen, beschwichtigt am Telefon und sagt, die deutsche Minderheit brauche sich keine Sorgen machen. Ziel des Vorschlages sei nicht, die deutsche Minderheit zu begrenzen. Man sei sich der Problemstellung bewusst und werde versuchen, sie im konkreten Gesetzesentwurf zu berücksichtigen und zu lösen. Auf die Frage, ob es für eine Minderheit wohl reiche, dass sich die Regierung des Problems bewusst ist, sagt er: „Ich kann jetzt nicht konkreter werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin