piwik no script img

Reisefreiheit in CoronakriseEndlich grenzenlose Liebe?

Binationale Liebespartner:innen leben in der Coronakrise getrennt. Das Innenministerium lockert die Regelungen jetzt – doch manche Probleme bleiben.

Videoanrufe: unbefriedigende Kommunikationsmöglichkeit für binationale Liebespaare Foto: Frederic Cirou/imago

Berlin taz | Lilian Albrecht lernte ihren Freund vor vier Jahren im Indienurlaub kennen und verliebte sich. Neun Mal war die 25-Jährige aus Osnabrück seitdem in Indien zu Besuch, das letzte Mal im Oktober 2019. Die Flugtickets für das zehnte Mal waren schon gebucht, im März wollte Albrecht wieder zu ihrem Partner. Dann kam Corona.

Flughäfen standen still, Grenzen waren weitgehend geschlossen – und Liebende in binationalen Partnerschaften über große Entfernungen voneinander getrennt. Der ersten Coronawelle im Frühjahr versuchte die Politik unter anderem mit Einschränkungen der Reisefreiheit beizukommen.

Liebespaare, die sich im Urlaub oder während eines Auslandssemesters kennengelernt hatten, mussten sich auf Telefonate oder Videoanrufe beschränken. Reale Treffen scheiterten an geschlossenen Grenzen.

Im Juni forderten Betroffene in einer Petition, die Einreise von Partner:innen ohne EU-Pass zu ermöglichen – über 36.000 Menschen unterschrieben bisher. Unter den Hashtags #LoveIsEssential und #LoveIsNotTourism wurde in den sozialen Medien protestiert.

Liebe ist kein Tourismus, sagen Betroffene

Auch deutsche Politiker:innen nahmen sich der Sache an: Nach ersten parlamentarischen Anfragen und offenen Briefen wurde im Juli ein Appell veröffentlicht – über 100 Politiker:innen der Grünen, FDP und Linken forderten darin Einreisemöglichkeiten.

Erste Staaten lockerten ihre Grenzpolitik dahingehend: Dänemark ermöglichte die Einreise von Liebenden am 1., Österreich am 9. Juli. Tschechien, die Niederlande und die Schweiz zogen nach.

Im August öffnete auch Deutschland dann die Grenzen für binationale Partner:innen. Die Sache hatte jedoch einen Haken: Die Partner:innen mussten in der Vergangenheit bereits gemeinsam Zeit in Deutschland verbracht oder im Ausland zusammengelebt haben. Wer sich also im Ausland kennengelernt hat, jedoch keine gemeinsame Wohnung hatte, dem blieb weiterhin nur das Warten auf weitere Lockerungen.

Albrecht fiel genau in diese Lücke: Sie und ihr Freund haben sich noch nie in Deutschland getroffen, in Indien hatten sie keine gemeinsame Wohnung. „Das ist eine Belastung für die Beziehung“, sagt sie. „Man streitet sich immer mal, muss mit der Entfernung leben, immer wieder zueinander finden.“

Paare müssen gemeinsame Aufenthalte nachweisen

Nun könnte sich Albrechts Situation verbessern. Das Bundesinnenministerium änderte die Einreisebestimmungen am Mittwoch: Seit Mitternacht können internationale Liebende wieder zu ihrem oder ihrer Partner:in nach Deutschland einreisen – sofern die Beziehung bereits seit längerer Zeit besteht und es vorherige Treffen der beiden Personen gegeben hat.

Bei der Einreise muss dies durch eine von beiden Partner:innen unterzeichnete Erklärung sowie eine schriftliche Einladung des oder der deutschen Partner:in nachgewiesen werden. Darüber hinaus müssen frühere Treffen – unabhängig davon, ob sie in Deutschland oder einem anderen Land stattgefunden haben – belegt werden, etwa durch Einreisestempel in den Pässen oder durch gemeinsame Reisedokumente.

Schon im Sommer hatte Lilian Albrecht alle Dokumente zusammen. Allerdings: „Wir kriegen keinen Termin bei der deutschen Botschaft“, erzählt sie der taz. Zwar würde die deutsche Vertretung in Indien wieder Visa ausstellen, Termine seien jedoch auf Wochen ausgebucht. „Die neue Änderung betrifft uns zwar theoretisch, praktisch hilft sie uns nicht weiter“, sagt Albrecht. Die Dokumente hält sie bereit: Sobald der Termin bei der Botschaft gebucht ist, wird sie diese per teurem Expressversand nach Indien schicken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!