piwik no script img

Corona, sprich zu mir!

Regeln für alle in Sprachen für alle: Das fordert die Grünen- Integrations-Politikerin Sahhanim Görgü-Philipp angesichts der Pandemie-Eindämmungs-Vorschriften. Die sind meist zwar rechtlich sicher formuliert – aber für viele Betroffene nur schwer verständlich

Hauptsache verständlich: Wo die Regeln sich einer vielsprachigen Realität anpassen, ist schon viel gewonnen Foto: Markus Tischler/imago

VonSamira Ghozzi

Sprachbarrieren bei den Coronabestimmungen sollen abgebaut werden. Das ist das Ziel von Sahhanim Görgü-Philipp, der integrationspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Die Vorschriften kommen nicht bei allen in der Bevölkerung an“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bürgerschaftsgrünen. „Dabei sollten gerade in Bezug auf Corona alle wissen, was wir hier für Maßnahmen verabreden.“

Wenn die Anordnungen nicht verstanden werden, können sie auch nicht effizient umgesetzt werden. Mit zehn Fragen an den Senat hofft sie die Tragweite des Problems sichtbar machen zu können. Die „Bescheide und Anordnungen von Ämtern und Behörden setzen ein sehr hohes Maß an Deutschsprachkenntnissen voraus“, heißt es in der Anfrage.

Görgü-Philipp hat bei ihren Besuchen von Einrichtungen und Vereinen in Stadtteilen außerhalb der Innenstadt eine große Verunsicherung bemerkt. „Es sind oft die kleinen Fragen, wie zum Beispiel, ob Krankschreibungen telefonisch beantragt werden können oder welche Maske denn nun die richtige ist.“

Neben den bestehenden, eher traditionellen Kommunikationswegen von ausgehängten Plakaten und Informationsflyern, werden in der Anfrage an den Senat auch neue Möglichkeiten in den Blick genommen – Videobotschaften zum Beispiel, oder der Einsatz eines Fern-Dolmetscherdiensts in mehreren Sprachen. Letztlich sei es nötig, die Inhalte so verständlich zu vermitteln, dass Sprache dafür gar nicht nötig ist, fordert Görgü-Philipp. In den einzelnen Stadtteilen wäre es aus ihrer Sicht am ehesten der Job der Quartiersmanager*innen, die Botschaft unters Volk zu bringen.

„Menschen, die im Stadtteil Einfluss haben und gut vernetzt sind, wie für die Moschee beispielsweise der Imam, könnten in den jeweiligen Sprachen die Anordnungen in ihren Vereinen persönlich vermitteln“, mutmaßt Görgü-Philipp. „Die muss man gewinnen.“

Anke Assouroko, Mitarbeiterin des Mütterzentrums in Osterholz-Tenever, sagt, man müsse eher bei den Berater*innen ansetzen. „Quartiersmangerinnen sind oft gar nicht direkt im Kontakt mit den Leuten.“ Die Kultur- und Sprachmittlerinnen hingegen würden dringend mehr und vor allem aktuelle Informationen benötigen. „Da hakt es am meisten mit den ständigen Änderungen.“

Auch Mariam Tarraf, die ein Elterncafé im Mütterzentrum leitet, sieht Schwierigkeiten in der täglichen Praxis. „Viele kommen rein und verstehen gar nichts“, sagt sie. „Ich versuche mit Flyern, die ich selbst übersetze, die Informationen klarer zu machen. Dafür brauche ich aber mehr aktuelles Material.“

„Ich versuche mit Flyern, die ich selbst übersetze, die Informationen klarer zu machen“

Mariam Tarraf, Leiterin des Elterncafés im Mütterzentrum

Jörn Hermening, der Orts­amtsleiter von Hemelingen hält das Thema der Sprachbarrieren für wichtig. Aufgegriffen worden sei es zwar bereits im Frühjahr bei Videokonferenzen mit den Quartiersmanager*innen. Im März waren zudem bereits mehrsprachige Informationen zu Abstandsregeln und Maskenpflicht veröffentlicht worden. Aber „wir kommen an viele Menschen nicht über Medien und Flyer ran“, so Hermening zur taz. „Viele Institutionen versuchen jetzt trotz Kontaktbeschränkungen kreativ zu werden und so persönlich, wie es nur geht, die Informationen zu vermitteln.“

„Die Anordnungen zu verstehen, ist kein alleiniges Problem von Migrant*innen“, warnt Libuse Cerna, die Vorsitzende des Bremer Integrationsrates davor, die Debatte zu verengen. Die Schwierigkeit, über Corona-Anordnungen zu informieren, sei grundsätzlich vorhanden. Es sei allgemein das Problem mit juristischen Texten. Im Frühjahr habe es eine große Kampagne gegeben, bei der die Verordnungen in verschiedenste Sprachen übersetzt wurden. Dann habe es geheißen, dass dies nicht mehr notwendig sei.

Die Maßnahmen würden schon klarer ankommen als noch im Frühjahr, so Cerna. Die Arbeit an einer verbesserten Kommunikation bleibe trotzdem wichtig. Bloß: „Wenn die Bestimmungen in leichter Sprache geschrieben und mehrsprachig aufbereitet werden sollen, dann kann das nicht von den NGOs kommen“, sagt sie, „das müsste vom Senat initiiert werden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen