Schaden durch Steueroasen: 427 Milliarden US-Dollar fehlen

Neue Regeln zur Berichterstattung ermöglichen erstmals genauere Abschätzungen zur Steuerflucht. Allerdings bleiben die Beteiligten anonym.

Zackenbarsch und Taucher in tiefblauem Wasser

Kayman-Inseln, ein Paradies: für Zackenbarsche und Korallen – und Steuerflüchtige Foto: Alex Mustard/imago

BERLIN taz | Weltweit gehen jährlich mehr als 427 Milliarden US-Dollar an Steuern verloren, weil multinationale Unternehmen ihre Gewinne in Steuerparadiese verschieben oder Privatpersonen ihr Vermögen vor den Finanzbehörden verstecken. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine Studie von Tax Justice Network, die neue OECD-Daten erstmals auswertet. Mit diesem fehlenden Steuermilliarden könnten fast 34 Millionen KrankenpflegerInnen weltweit beschäftigt werden, wie die unabhängigen Steuerexperten vorrechnen.

Die neue Studie kann die weltweite Steuerflucht erstmals relativ genau abschätzen, weil sich die OECD-Länder darauf geeinigt haben, dass multinationale Konzerne die sogenannte länderbezogene Berichterstattung anzuwenden haben. Die Unternehmen müssen also angeben, wie hoch ihr Umsatz in den einzelnen Staaten war – woraus sich wiederum errechnen lässt, wie viel Steuern sie eigentlich hätten zahlen müssen, wenn sie ihre Gewinne nicht in Steueroasen verschoben hätten.

Tax Justice Network hatte bereits 2003 diese „länderbezogene Berichterstattung“ gefordert und konnte jetzt durchsetzen, dass die OECD die Zahlen veröffentlicht. Allerdings wurden die Daten aggregiert und anonymisiert, sodass sich nicht erkennen lässt, welche Unternehmen besonders viele Steuern sparen. Immerhin verraten die Daten aber, welche Länder von der Steuerflucht besonders betroffen sind – und wie die Steuerflucht funktioniert.

Multinationale Unternehmen verschieben jährlich Gewinne von etwa 1,38 Billionen Dollar in Länder, die besonders niedrige Steuersätze haben. Durch diese Verrechnungstricks sparen die Konzerne etwa 245 Milliarden Dollar an Steuerzahlungen. Weitere 182 Milliarden Dollar gehen den Staaten jährlich verloren, weil Privatpersonen Finanzvermögen von mehr als 10 Billionen Dollar in Steueroasen geparkt haben.

Steueroasen sind vor allem kleine Inseln? Von wegen

Die Steuerflucht schadet vor allem den armen Ländern: Sie verlieren im Durchschnitt etwa 5,8 Prozent ihres Steueraufkommens. In den reicheren Ländern sind es „nur“ 2,5 Prozent.

Umgekehrt sind es aber reiche Länder, die die weltweite Steuerflucht organisieren. Es ist ein Vorurteil, dass die Steueroasen meist kleine Inseln fernab im Ozean seien. Die fünf wichtigsten Steueroasen sind: die Kaimaninseln, die als „britisches Überseegebiet“ zum Vereinigten Königreich gehören. Die dortigen Finanzinstitute werden direkt von der City of London gesteuert und sind dafür verantwortlich, dass weltweit 70 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen verloren gehen. Als Nächstes folgt Großbritannien, das für ein Minus von 42 Milliarden sorgt. Platz drei belegen die Niederlande (ein Schaden von 36 Milliarden), Luxemburg (27 Milliarden) und die USA (23 Milliarden).

„Schwarze Liste“ wenig zielgenau

Keines dieser Länder taucht auf der „Schwarzen Liste“ der EU auf, in der renitente Steueroasen aufgeführt werden. Stattdessen finden sich dort Palau oder Trinidad und Tobago, die sich zwar weigern, mit den europäischen Behörden zusammenzuarbeiten – aber fast gar keine Steuerschäden anrichten. Die Staaten auf der „Schwarzen Liste“ sind gemeinsam für etwa 1,72 Prozent der weltweiten Steuerverluste verantwortlich – während EU-Staaten etwa 36 Prozent verursachen.

Die Studie rechnet auch durch, wie groß der Schaden in einzelnen Ländern ist. Deutschland verliert jährlich etwa 35 Milliarden Dollar an Steuern. Dies sind umgerechnet 429 Dollar pro Einwohner. Die Bundesrepublik ist selbst aber auch eine kleine Steueroase: Anderen Ländern entgehen durch die hiesigen Gesetze etwa 3,4 Milliarden Dollar an Unternehmensteuern.

Es ist kein Zufall, dass die Studie jetzt erscheint: An diesem Freitag treffen sich die G20-Finanzminister zu einer virtuellen Konferenz. Tax Justice Network will erreichen, dass die Länderberichte die einzelnen Unternehmen nennen, damit die Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden können.

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