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Begriffe, „tiefeingefressen“

Die Kieler Universität erinnert an Victor Klemperers Erforschung der NS-Sprache

Von Alexander Diehl

Nicht nur von Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth nach der Ermordung Walter Lübckes: Wird ein altes Buch wieder vermehrt empfohlen, seine Aktualität unterstrichen, könnte man das als schlechtes Zeichen lesen – wenn es sich um „LTI“ handelt, „Lingua Tertii Imperii“, Victor Klemperers Studie über die Sprache des „Dritten Reiches“. Aufs Akute „angesichts des Nachlebens und Wiedererstarkens nationalsozialistischer Begrifflichkeiten“ weist nun auch die Kieler Christian-Albrechts-Universität hin: Deren Philosophisches Seminar eröffnet dazu am Mittwoch eine Online-Veranstaltungsreihe.

1947 erschien das Buch im Berliner Aufbau-Verlag, erst 1966 in der Bundesrepublik. Die Arbeit hatte Klemperer (1881–1960) schon früher aufgenommen: Vom Regime als Jude gegängelt, verlor er 1935 mit Inkrafttreten des „Reichsbürgergesetzes“ seine Dresdener Professorenstelle, konnte bald gar nicht mehr forschen – spätestens da wurde das Tagebuch sein wesentliches Forum. Darin hatte er bereits 1934 notiert, wie ihn die Befassung mit der sich verändernden Sprache bewegte: „Literarisch auszubauen, etwa ,Mein Kampf‘ lesen, wo dann die (teilweise) Herkunft aus der Kriegssprache deutlich werden muss.“

Möglich wurde das nach Kriegsende; dem Tod waren die Eheleute knapp entkommen. Aber Klemperer stellte auch fest, wie hartnäckig die Spuren von zwölf Jahren Nationalsozialismus waren: Charakteristische Ausdrücke „haben sich so tief eingefressen, dass sie ein dauernder Besitz der deutschen Sprache zu werden scheinen“. Das machte er auch am „ent“ fest: Der „distanzierenden Vorsilbe“ sei „einiger Zuwachs“ zuteilgeworden: „Fenster mußten vor der Fliegergefahr verdunkelt werden, und so ergab sich die tägliche Arbeit des Entdunkelns.“ Oder „die bittere Roßkastanie wurde entbittert“ – der Krieg erforderte neue Nahrungsquellen.

Und welche Scheußlichkeit prägte seine Gegenwart? „Am Nazismus ist Deutschland fast zugrunde gegangen; das Bemühen, es von dieser tödlichen Krankheit zu heilen, nennt sich heute Entnazifizierung.“

14-täglich ab Mi, 28. 10, 18.15 Uhr; https://mediaportal01.rz.uni-kiel.de/b/h-k-llf-6ho-qfi

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