Helden-Diskussion in Hamburg: Nicht totzukriegen

Postheorische Zeiten? Von wegen! Beim „Mittagsgespräch“ der Nordelbischen Kirche geht es am Donnerstag um unseren Bedarf an Helden.

Umweltaktivistin Greta Thunberg

Heldin unserer Zeit: Die Umweltaktivistin Greta Thunberg Foto: Gian Ehrenzeller/Keystone/dpa

HAMBURG taz | Der Held hat seine besten Zeiten hinter sich. Dass wir in „postheroischen“ Zeiten leben, hat – nicht zuallererst, aber bis heute wirksam – der Politikwissenschaftler Herfried Münkler formuliert. Und das Adjektiv hat Karriere gemacht, bis hin Wunderlichem wie dem „postheroischen Management“, das zu vermitteln sich vielerorts Beraterfirmen (vermutlich gut) bezahlen lassen.

Warum war es nötig, sich abzugrenzen von einem davor Liegenden, also den noch nicht nach-heldenhaften Zeiten? Münkler selbst hat in diesem Zusammenhang auf die Moderne verwiesen, der das alte Heldenhafte suspekt geworden sei.

„Mit Helden assoziieren wir gemeinhin kämpferische oder auch tragische Gestalten“, so fasst es der Freiburger Soziologe Ulrich Bröckling, „die Exzeptionelles leisten und sich mächtigen Feinden entgegenstellen, die Katastrophen abwenden und sich um der guten Sache willen in Gefahr begeben, ohne sich dabei um Regeln und Konventionen zu scheren – und die für all das verehrt und bewundert werden.“

Und er folgert: „Stoff eher für romantische Erzählungen, militärische Mobilmachungsprosa, pädagogische Erbauungsliteratur oder die Mythen der Populärkultur“ – als für eine Wissenschaft wie die seine. Und hat, nach Jahren der Beschäftigung in einem Uni-Sonderforschungsbereich, im Februar doch einen Versuch vorgelegt, auszuleuchten, welchen Platz das Heroische in unserer Gesellschaft einnimmt.

Hamburger Mittagsgespräch „Postheroische Helden. Wer braucht ‚in Zeiten wie diesen‘ Idole?“: Do, 22. Oktober, 12.15 Uhr, Hamburg, Esplanade 15

Anmeldung erforderlich: https://akademie-nordkirche.de/veranstaltungen/formshort/anmeldenkurz/843

Der Titel „Postheroische Helden“ (Suhrkamp 2020, 277 S., 25 Euro; E-Book 21,99 Euro) ist dabei weniger paradox, als dass er andeutet, dass es heute eben beides gibt: Verabsolutierte Opferbereitschaft oder auch bestimmte Männlichkeitsideen mögen in Verruf geraten sein – zumindest in weiten Teilen der Gesellschaft. Aber der Bedarf an Heldenhaftem ist geblieben, ja: Helden umgeben uns vielleicht mehr denn je; nicht erst, seit mit der globalen Pandemie allerlei Berufsgruppen als „Coronahelden“ oder auch „-heldinnen“ bezeichnet werden.

Auch der Spiegel hat – insbesondere online – die „Heldinnen und Helden des Corona-Alltags“ gleich serienweise gewürdigt. Weshalb Bröckling am Donnerstag nun auf Einladung der Evangelischen Akademie in Hamburg mit Spiegel-Chefredakteurin Barbara Ernst über den zeitgenössischen Heroismus-Bedarf diskutiert – kurzfristig nun wohl doch nicht face to face, ließ er die taz wissen, sondern „elektronisch zugeschaltet“.

Anders als andere, die über solche Dinge nachdenken – allen voran hierzulande der Philosoph Dieter Thomä mit seinem Ruf nach „demokratischen Helden“ –, bleibt Bröckling dabei skeptisch gegenüber noch den runderneuertsten Heldenfiguren. Wo der – oder immer öfter eben auch mal die – Einzelne derart ins Licht gerückt wird, werde eben stets anderes zum Verschwinden gebracht.

Denn kollektive Leistungen, Strukturen und überhaupt komplexe Bedingungen, die allesamt die Heldentat erst ermöglichen: Sie taugen nicht für romantische Erzählungen. Deren Konjunktur wiederum hält der Soziologe für einen guten Marker: Helden zeigen demnach krisenhafte Zeiten an; Krisen, die sie aber nie zu lösen imstande seien.

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