Kurz vor der Wahl flammt BLM-Protest wieder auf

In den USA treiben tödliche Schüsse zweier Polizisten auf einen Schwarzen erneut Hunderte auf die Straßen. Sie rufen „Black Lives Matter“ und setzen Polizeiautos in Brand

Protest gegen Polizeigewalt: Philadelphia in der Nacht auf Dienstag Foto: Jessica Griffin/The Philadelphia Inquirer/ap

Von Stefan Schaaf

Polizisten haben am Montag in der US-Stadt Philadelphia einen 27-jährigen Schwarzen erschossen. Er sei mit einem Messer bewaffnet gewesen, gaben sie an. In den Stunden danach entwickelten sich heftige Proteste mit mehreren Hundert Demonstrant:innen, die sich stundenlang vor einer Polizeistation versammelten. Ein Polizeifahrzeug und mehrere Müllcontainer gingen in Flammen auf, berichtet die Tageszeitung Philadelphia Enquirer auf ihrer Website. Etwa 30 Polizisten wurden durch Steine verletzt, die auf sie geworfen wurden, ebenso viele Demonstranten wurden festgenommen.

Die tödlichen Schüsse rücken acht Tage vor der Präsidentschaftswahl die Frage von Polizeigewalt gegen Schwarze BürgerInnen wieder in den Vordergrund. Seit dem auf Video festgehaltenem Erstickungstod von George Floyd im Mai in Minneapolis reißen die Proteste in etlichen Städten gegen Übergriffe von Beamten nicht ab. Black Lives Matter wurde zur landesweiten Bewegung.

Amy Coney Barrett hat in der Nacht zu Dienstag ihren Amtseid als neue Richterin am Supreme Court abgelegt. Zuvor wurde sie im Senat mit 52 zu 48 Stimmen bestätigt. Das Kräfteverhältnis am Obersten Bundesgericht der USA könnte sich dadurch über Jahrzehnte hinweg zugunsten des konservativen Lagers verschoben haben. Die Wahl im Senat erfolgte wie erwartet entlang Parteilinien. Kein einziger Demokrat*in stimmte für die Nominierung der 48 Jahre alten Richterin. Die strenggläubige Katholikin Barrett hatte zuvor versucht, Bedenken zu zerstreuen, sie werde sich in ihrer Rechtsprechung von ihrem Glauben oder ihren Überzeugungen leiten lassen. (taz)

US-Präsident Donald Trump verteidigte die Polizisten stets und sandte die Nationalgarde in einige Städte, um die Demonstrationen zu stoppen, obwohl die dortigen Behörden dies teilweise ablehnten. Er bezeichnete die Proteste als Auswüchse einer gewaltbereiten linksradikalen Bewegung. Seine Hoffnungen, mit einer „Law and Order“-Kampagne gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden punkten zu können, haben sich aber nicht erfüllt.

Auch in Philadelphia, der größten Stadt des im Wahlkampf wichtigen Swing States Pennsylvania, war immer wieder gegen den Tod von George Floyd protestiert worden, besonders im Stadtteil West Philadelphia mit seiner zu 75 Prozent Schwarzen Bevölkerung. Die tödlichen Schüsse vom Montag auf den 27-jährigen Walter Wallace Jr. fielen dort. Sein Vater sagte, auf seinen Sohn, der wegen psychischer Störungen habe Medikamente nehmen müssen, sei zehn Mal geschossen worden. Die Mutter habe noch vergeblich versucht, die Konfrontation zu entschärfen und habe den Beamten gesagt, ihr Sohn sei nicht gefährlich. Eine Nachbarin habe den Polizisten zugerufen, sie sollten ihre Waffen wegstecken, sie kenne den Mann. „Warum musstet ihr ihn niederschießen? Warum habt ihr nicht einen Taser benutzt?“, fragt der Vater.

„Warum musstet ihr ihn niederschießen?“

Walter Wallace Sr., Vater des getöteten Mannes

Ein Video eines Passanten zeigt, dass Wallace Jr. mehrere Meter von den Beamten entfernt war. Er habe aber trotz Aufforderung sein Messer nicht fallen gelassen, gab ein Polizeisprecher an. Die Schüsse selbst sind auf den Aufnahmen nicht zu sehen. Wallace Jr. wurde in ein Krankenhaus gebracht, verstarb dort aber kurz darauf.

Philadelphias Bürgermeister Jim Kenney sprach der Familie sein Beileid aus. Das Video des tragischen Geschehens werfe schwierige Fragen auf. Er versprach eine umfassende Untersuchung. Auch die städtische Polizeibeauftragte Danielle Outlaw kündigte an, den Vorfall zu untersuchen. „Als ich heute Abend vor Ort war, habe ich den Zorn der Anwohner gehört und gefühlt. Was geschehen ist, hat langfristige Auswirkungen für alle Beteiligten.“ Der lokale Vorsitzende der Polizeigewerkschaft nahm hingegen die Beamten in Schutz. Sie würden unfair dafür kritisiert, ihren Job gemacht und die Anwohner geschützt zu haben.